Bei der Umsetzung von Resilienz in der Unternehmenspraxis sind einige Hürden zu überwinden. Resilienztrainer und -coach Alexandra Trautmann erläutert im ersten Teil dieser vierteiligen Gastserie, inwiefern das Verhalten von Führungskräften unbewusst verantwortlich dafür sein kann, eine resiliente Organisation im Keim zu ersticken.
Mikromanagement: Feind der Mitarbeiterbindung
Sind Sie eine leistungsorientierte Führungskraft? Dann verfügen Sie bestimmt über einen ehrgeizigen Eigenanspruch, ein ausgeprägtes Pflichtgefühl und ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, inwiefern sich diese – durchaus ehrenwerten Charaktereigenschaften – in Ihrem Führungsverhalten widerspiegeln? Viele Führungskräfte denken für andere mit, tun viele Dinge oft selbst, anstatt zu delegieren, standardisieren soweit wie möglich und stellen zu übertragenen Tätigkeiten häufig Rückfragen an ihre Mitarbeiter.
Interessanterweise beklagen jedoch die gleichen Führungskräfte, ihre Mitarbeiter schauten nicht über den Rand des eigenen Schreibtischs und zeigten zu wenig Eigeninitiative, um z. B. Schnittstellenthemen zu identifizieren. Dabei übersehen sie, dass es eben auch Opportunitätskosten einer fokussierten, zielorientierten Führung gibt: Einzelkämpfertum, Vertrauensverluste, geringe Identifikation mit dem Team bzw. dem Unternehmen und Frustration.
Dienst nach Vorschrift die Regel
Laut aktuellen Zahlen der Gallup-Studie zum Engagement Index 2014 haben lediglich 15% der Arbeitnehmer eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber, 70% leisten Dienst nach Vorschrift, 15% haben innerlich gekündigt. Wird durch die Führungskraft überwiegend kontrolliert, wird impliziert, dass Misstrauen die Norm ist. Vielleicht sucht man deshalb in vielen Organisationen Leidenschaft und Begeisterung, möglicherweise sind deshalb Arbeitszufriedenheit und Motivation gering ausgeprägt. Zudem fühlen sich viele Mitarbeiter überlastet, beklagen die Bürokratie und dass sie durch das dauernde Reporting von der eigentlichen Arbeit abgehalten werden. Jeder zweite Arbeitnehmer fühlt sich „ausgebrannt“ – so die Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aus 2013.
Freiraum als Basis für Resilienz
Der negative Einfluss von Mikromanagement auf die persönliche Resilienz von einzelnen Mitarbeitern sowie die organisationale Resilienz des gesamten Teams lässt sich mit dem viel beschriebenen Einfluss von „Helikoptereltern“ auf die Entwicklung ihrer Kinder vergleichen. Freiraum ist wichtig für die Entfaltung von Potenzialen. Kinder, die nie gelernt haben, Problemsituationen aktiv anzugehen (weil sie vor Überbehütung nicht in die Verlegenheit kommen), haben Schwierigkeiten, ihre persönliche Resilienz zu entwickeln. Es liegt nahe, dass diese Kinder bei zukünftigen Herausforderungen im Erwachsenenalter eher unter Stress geraten werden. Genauso werden Mitarbeiter, die von Ihrem Vorgesetzten weitgehend Entscheidungen abgenommen bekommen, in ihrer Selbstwirksamkeit beschränkt. Selbstwirksamkeit – das Bewusstsein für die eigenen Ressourcen, um Anforderungen und Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können – ist jedoch ein wesentlicher Faktor für die Selbstmotivation… – … und nicht umsonst einer der Resilienzfaktoren.
Mein Tipp: Reflektieren Sie kritisch, welches Arbeitsumfeld Ihr Verhalten als Führungskraft oder Projektmanager fördert. Wie könnten Potenziale Ihrer Mitarbeiter besser genutzt werden?
Welche weiteren Voraussetzungen für eine resiliente Organisation bestehen, erfahren Sie im zweiten Teil der Serie.