Wenn man zu denen gehört, die locker-flockig solchen Gesprächen entgegenblicken und sich darauf verlassen, ihnen würde schon das Richtige einfallen, dann geht man entspannt an die Sache ran.
Den meisten Bewerbern geht es da anders: sie legen jetzt richtig los mit inhaltlicher Vorbereitung. Es werden Bewerbungsratgeber gewälzt, Google bemüht und, und, und. Schließlich will man auf jede mögliche Frage im Bewerbungsgespräch DIE richtige Antwort parat haben. Manche lernen ihre Antworten sogar auswendig. Das Problem taucht dann auf, wenn eine Frage kommt, mit der man nicht gerechnet hat. Dann ist man schnell in der Stockstarre und hat nur noch Matsch im Hirn. Da kann man dann gar nicht mehr reagieren – das berühmt-berüchtigte Blackout lässt grüßen.
Was den meisten Bewerbern nicht klar zu sein scheint ist, die Menschen auf der anderen Seite des Tisches sind nicht an Standardfloskeln interessiert. Ganz im Gegenteil: Je mehr davon wie aus der Pistole geschossen kommt, desto unangenehmere Fragen werden sie stellen, um hinter diese auswendiggelernte „Maske“ zu blicken.
Natürlich heißt es nicht, dass inhaltliche Vorbereitung nicht wichtig ist. Selbstverständlich sollte sich jeder Bewerber mit Folgendem auseinander gesetzt haben:
- Die Stellenausschreibung mit ihren Aufgaben und Anforderungen
- Die wichtigsten Eckdaten über das Unternehmen
- Eigener Lebenslauf
- Passung der Fähigkeiten und Kenntnisse zu der ausgeschriebenen Stelle.
Das sind Selbstverständlichkeiten. Das wird einfach vorausgesetzt. Punkt.
Das Entscheidende ist aber, wie sich der Bewerber im Gespräch verhält, das heißt: WIE er antwortet. Denn wäre der künftige Arbeitgeber rein am Inhalt der Antworten interessiert, würde sich wohl kaum jemand die Mühe machen, sich persönlich mit dem Bewerber zu treffen. Man würde die Informationen einfach schriftlich anfordern und dann hat sich die Sache. Ist doch logisch.
Es geht also darum , wie der Bewerber sich und seine Passung auf die Stelle in einem persönlichen Gespräch behauptet.
„Sich behaupten“ = standhalten, erhalten, bewahren, bestehen, aushalten … Das heißt: Sich nicht aus dem Konzept bringen lassen, sich nicht „erschüttern“ lassen von Fragen oder Verhalten anderer. Kurzum: Es geht um Standing!
Oft wird „sich behaupten“ kurzsichtiger Weise nur mit Selbstvertrauen und Rhetorik in Verbindung gebracht. Doch das Fundament dafür, Ihre Frau/Ihren Mann in entscheidenden Situationen stehen zu können und klar für sich selbst einzutreten, liegt darin, wie man sich – und andere – in einer bestimmten Situation zueinander einschätzt.
Wenn ein Bewerber sich selbst als Bittsteller erlebt, der den Hohen Herren und Damen am anderen Ende des Tisches ausgeliefert ist, können wir uns bildlich vorstellen, wie er nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich „klein mit Hut“ auftreten wird.
Wenn der Bewerber sich großartig findet und der Meinung ist, das Unternehmen solle sich glücklich schätzen, einen Termin in seinem engen Kalender bekommen zu haben, können wir uns ausmalen, wie er sich als Gönner von oben herab verhalten wird.
Beide Verhaltensweisen sind Extreme und sind sicher nicht optimal, um für sich zu überzeugen. Sie sollen aufzeigen, in welcher Spannweite der Einstellungen und Verhaltensweisen man sich als Bewerber bewegen kann. Fakt ist allerding, dass die meisten Bewerber sich in der Bewerbungssituation kleiner und unbedeutender als ihr Gegenüber fühlen. Und genau da kann man ansetzten.
Ziel: Begegnung auf Augenhöhe
Um zu verdeutlichen, was mit der Augenhöhe gemeint ist, habe ich eine simple Übung für Sie vorbereitet, die Ihnen klar vor Augen führt, wie sich die Augenhöhe anfühlt.
Übung:
Stellen Sie sich vor einen Spiegel. Und bitte: Machen Sie die Übung aus voller Überzeugung!
- Denken Sie und sagen Sie laut die Sätze: „Ich bin wirklich wichtig! Und Du bist unwichtig!“ Wiederholen Sie die Satz so lange, bis Sie sie wirklich glauben. Machen Sie ein paar Bewegungen, gehen Sie durch den Raum. Stellen Sie sich vor, Sie sprächen mit einer Person: Wie verhalten Sie sich, was sagen Sie und wie sagen Sie es, wohin schauen Sie? Beobachten Sie Ihr Verhalten.
- Denken Sie und sprechen Sie laut den Satz: „Ich bin nicht wichtig! Du bist aber total wichtig!“. Verfahren Sie genauso wie mit den ersten Sätzen und beobachten Sie Ihr Verhalten.
- Und jetzt denken Sie und sprechen laut die Sätze: „Ich bin hier wichtig! Und du bist hier auch wichtig!“ Gehen Sie wieder durch den Raum und begegnen Sie mit dieser Einstellung Ihrem imaginären Partner. Hier begegnen Sie sich auf einer Augenhöhe.
- Und jetzt machen Sie sich Notizen: Was verändert sich im Vergleich zur ersten Teilaufgabe? Was verändert sich im Vergleich zur zweiten Teilaufgabe? Was lernen Sie daraus? Was können Sie daraus für Ihr Bewerbungsgespräch mitnehmen?
Wenn Sie jetzt Einwände haben und denken, dass es leichter gesagt als getan ist, dann haben Sie recht: Das Gefühl, im Bewerbungsgespräch wichtig genug und nicht weniger wichtig zu sein als die Entscheider muss trainiert werden. Besonders dann, wenn Sie es sonst anders erlebt haben. Die mitgegebene Übung ist ein sehr guter Anfang dafür. Nutzen Sie sie für Ihre Vorbereitung.
Denn wenn Sie sich auf einer Augenhöhe mit anderen Menschen erleben, brauchen Sie nichts auswendig zu lernen. Denn dann sind Sie wenig gestresst und haben Zugang zu Ihrem Wissen: Sie wissen wer Sie sind und wofür Sie stehen und können es auch nach außen behaupten.