Ein ganz normaler Montag in einem Unternehmen, einer Konzernzentrale in Deutschland. Die Mitarbeiter strömen ins GebĂ€ude und zum Aufzug. Im Aufzug trifft man bekannte Gesichter. âUnd? Wie geht’s?â â âMuss ja.â â âIst ja wieder Montag.â Nach viel Motivation klingt das nicht. Es scheint, als wĂŒrden sich Tausende von Menschen morgens zur Arbeit zwingen.
Im BĂŒro angekommen, entfalten sich je nach Unternehmen und Branche die unterschiedlichsten Rituale: Gleich zur Teambesprechung oder erst die Pflanzen gieĂen, Tee aufsetzen, Rechner starten, To-do-Liste durchsehen, Telefonate beginnen. Das Leben vieler Menschen ist von Prozessen bestimmt, von AblĂ€ufen, von Dingen, die sie zu tun haben und die zu erledigen sind. Man geht zur Arbeit, und dann laufen eben bestimmte Dinge ab. Dazwischen findet allerlei Soziales statt: Kommunikation mit Kollegen, Updates zum Flurfunk, Smalltalk in der Kantine. Alles lĂ€uft irgendwie ab.
Das Prozessuale ist einer der HauptgrĂŒnde fĂŒr das unengagierte Tun und Lassen von Menschen in Unternehmen. Immer wieder bescheinigt uns das Beratungsunternehmen Gallup die allgemeine Demotivation: 67 Prozent der Arbeitnehmer machten 2013 nur Dienst nach Vorschrift, 17 Prozent hatten innerlich gekĂŒndigt. Das betrifft nicht nur die Indianer, sondern auch die HĂ€uptlinge. Wir Deutschen haben einfach keine Lust.
Ein typischer Arbeitnehmer weiĂ natĂŒrlich, was er zu tun hat. Und jetzt ĂŒberlegen Sie mal, was diese Worte bedeuten: Sie wissen, was Sie zu tun haben. Es geht nicht etwa darum, was Sie zu bewirken haben. Das ist ein riesiger Unterschied, und dieser Unterschied ist den wenigsten Menschen bewusst. Wenn wir etwas zu tun haben, richten wir unseren Fokus auf den Ablauf. Wenn wir aber etwas zu bewirken haben, richten wir unseren Fokus auf das Ergebnis. Und möglicherweise findet sich hier einer der wichtigsten Hebel, wenn es um mehr Engagement am Arbeitsplatz geht.
Es gibt ArbeitsplĂ€tze, an denen Menschen am Abend etwas geschafft haben. Sie sehen ein konkretes Ergebnis und sind stolz. Wer beispielsweise in einer Tageszeitungsredaktion arbeitet, hat am Abend ein fertiges Produkt hergestellt â die Zeitung fĂŒr den nĂ€chsten Tag. Andere Aufgaben werden nie fertig: Im Krankenhaus kann man zwar einen Patienten entlassen, weil man ihn erfolgreich behandelt hat, aber in der Zwischenzeit sind zahlreiche neue Patienten eingetroffen. Im Grunde wird man nie fertig. Das Prozessuale und die Ergebnisse sind durchmischt. In anderen Jobs schlieĂlich erleben Menschen gar keine Ergebnisse â wenn ihre Aufgabe beispielsweise darin besteht, lediglich Komponenten zu einem Ganzen hinzuzufĂŒgen. Oder wenn sie schlichtweg dafĂŒr bezahlt werden, Prozesse am Laufen zu halten.
Wie gelingt es, Sinn in der Arbeit zu sehen, auch wenn am Abend kein konkretes Ergebnis sichtbar ist? NatĂŒrlich hat man etwas geschafft, das ist schon klar â aber man sieht es eben nicht. Wie und wo auch immer wir arbeiten: Unser Engagement steigt dann, wenn wir unseren Fokus nicht nur auf den Prozess richten, sondern auf den Sinn. Und der Begriff âSinnâ ist durchaus schon ein wenig philosophisch.
Schon durch einen einfachen lexikalischen Trick kann es gelingen, mehr Sinn in der Arbeit zu sehen. Und zwar durch einen Tausch zweier Worte. Die meisten Menschen fragen sich: âWarum mache ich das? Warum gehe ich zur Arbeit?â Die Antwort darauf kann nur in die Vergangenheit weisen. Denn die Frage âWarum?â zielt auf einen Grund oder eine Ursache, und die liegen nun einmal in der Vergangenheit. Um in die Zukunft zu weisen, sollten wir besser âWozu?â fragen: âWozu tun wir das? Wozu machen wir diese Besprechung?â Und die Antwort verrĂ€t automatisch etwas ĂŒber den Sinn dessen, was wir tun.
Der Unterschied zwischen âWarumâ und âWozuâ ist nicht nur eine spitzfindige Kleinigkeit in der Wortwahl. Sondern er bezeichnet etwas Grundlegendes: eine andere Perspektive. Wenn wir âWarum?â fragen, erfahren wir, wo unser Handeln herkommt. Wenn wir âWozu?â fragen, erfahren wir, worauf es zielt. Wenn wir âWarum?â fragen, denken wir also aus unserer Perspektive heraus, aus der Sicht des Mitarbeiters oder Managers. Wenn wir aber âWozu?â fragen, denken wir aus der Sicht des Kunden.
Und der Kunde ist im Grunde zentral. Er ist der Sinn. Wir gehen nicht zur Arbeit, weil Montag ist. Wir gehen auch nicht zur Arbeit, weil wir noch viele unerledigte Aufgaben auf dem Tisch haben. Das âWeilâ verrĂ€t es schon: Wir haben hier lediglich die Antwort auf eine Warum-Frage. Doch etwas Ăhnliches und zugleich völlig anderes ist richtig und gewissermaĂen philosophisch wahr: Wir gehen zur Arbeit, damit wir endlich dieses kleine QualitĂ€tsproblem beheben, das fĂŒr so viele Retouren sorgt â also damit wir unsere Kunden glĂŒcklich machen. Wir gehen zur Arbeit, um den Wettbewerber von Platz eins zu verdrĂ€ngen.
Manche Menschen denken so sehr im âWarumâ, dass sie es sogar aus ihrem Studium heraus begrĂŒnden. Mancher Krankenhausarzt operiert einen Patienten nicht, damit dieser gesund wird, sondern weil der Arzt Chirurg ist. Beides sind völlig verschiedene ZugĂ€nge. Dass es dabei auch um zwei verschiedene Perspektiven geht, merken wir als Patienten, wenn der Arzt locker sagt, der bevorstehende Eingriff sei eine Routine. Er will uns damit beruhigen, aber er ignoriert unsere Sicht: FĂŒr ihn mag es eine Routine sein, fĂŒr uns ist es das noch lange nicht. Im Ergebnis beunruhigt er uns also. WĂŒrde er vom Sinn her denken und sich fragen: âWozu sage ich das?â, wĂŒrde ihm dieses simple und hĂ€ufige MissverstĂ€ndnis nicht passieren.
Wir sollten den Wert unserer Arbeit nicht aus unserer Qualifikation ableiten, sondern aus ihrem Ziel. Wegen des Warum-Denkens sind Abteilungen in konventionellen KrankenhĂ€usern nach wissenschaftlichen Disziplinen getrennt: Wer Bauchschmerzen hat, kommt zum Gastroenterologen, und der geht auf die Suche nach dem Problem. Dass das Problem auch urologisch sein könnte, findet im Denken eines Fachmanns in der Regel nicht statt. Denn er bewegt sich klassischerweise lediglich innerhalb seiner Qualifikation und denkt selten ĂŒber den Tellerrand hinaus. Wenn sich nun immer KrankenhĂ€user interdisziplinĂ€r zugunsten des Patienten aufstellen, etwa mit der Einrichtung von Bauchzentren, ist genau das sinnorientiert: Dort kommt der Patient an, und Gastroenterologen, GefĂ€Ăchirurgen, Onkologen, GynĂ€kologen und Urologen arbeiten zusammen. Und hier ergibt Arbeit Sinn: Sie ist wirklich ergebnisorientiert.
Gegen âDienst nach Vorschriftâ hilft zuallererst der Wechsel vom Warum-Denken hin zum Wozu-Denken. Denn zunĂ€chst ist es unser Denken, das uns erlaubt oder verbietet, Sinn in unserer Arbeit zu sehen oder nur lĂ€stige Prozesse und Routinen. Es ist ein Perspektivenwechsel: Nicht mehr wir selbst und unser Handeln sind im Fokus unserer Aufmerksamkeit, sondern der Sinn, fĂŒr den wir handeln. Wer Mitarbeiter motivieren will, sollte vor der Buchung eines klassischen Motivationsseminars schauen, ob diese Basis gegeben ist. Sonst könnte die Wirkung des Motivationsseminars schlichtweg verpuffen, weil das Motivationsseminar auf ein Klima des Warum-Denkens trifft.