Fünf Fragen an Dr. Kai Flehmig-Pichlmaier

Dr. Kai Flehmig-Pichlmaier ist Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Gründerverbands.

Ziel des Deutschen Gründerverbands ist es, das Gründungsgeschehen zu fördern, indem er den Gründungsprozess deutlich vereinfacht. Dazu analysiert der Verband die Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen, die die Gründungsbereitschaft blockieren oder die Begeisterung wecken und entwickelt unterstützende Initiativen wie den smartgründen-Prozess sowie die Initiative „Gründen mit Freunden“.

Daneben hat sich der Verband das Ziel gesetzt, nicht nur die Neugründungen zu unterstützen, sondern auch die Zahl der Übernahmegründungen nachhaltig zu steigern, damit das Thema Nachfolge in den nächsten Jahren nicht zu zahllosen Geschäftsaufgaben führt.

 

1. Frage:
In Ihrem kürzlich veröffentlichten Statement fordern Sie „Schluss mit den Alibi-Behauptungen“. Sie beziehen sich dabei auf die aktuellen Statistiken zum Gründungsgeschehen in Deutschland. Was meinen Sie damit?

Antwort:
Man schätzt, dass jedes Jahr fast 2 Millionen Deutsche sich mit dem Gedanken tragen, sich mit einer eigenen Geschäftsidee selbstständig zu machen. Unbestreitbar gibt es jedoch eine große Lücke zwischen der Anzahl der Gründungsinteressierten und der Anzahl umgesetzter Geschäftskonzepte. Und diese Lücke wird jedes Jahr größer: „Gründungsgeschehen auf neuem Tiefstand“ titelt aktuell die Presse.

Teilweise ist dafür sicherlich die Situation auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich. Einige Gründer mögen die Komfortstellung als Angestellter der Rolle eines Unternehmers vorziehen. Der Push-Faktor, der Druck zur Selbstständigkeit sei zu niedrig, weil der Arbeitsmarkt so gut ist, argumentieren Politiker, IHKs und ähnliche Institutionen. Aber hier macht man sich die Sache zu leicht.

In der Ursachenbeschreibung wird der Pull-Faktor unterschlagen. Darunter versteht man die die Faktoren, die eine Art Sogwirkung im Hinblick auf die Selbstständigkeit entfalten, wie z.B. das Streben nach Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit, die Wahrnehmung von Geschäftsmöglichkeiten oder die Zuversicht, das entwickelte Geschäftskonzept auch umsetzen zu können.

Die Politik versichert permanent, dass es unzählige Förderprodukte mit stets steigendem Kreditvolumen gibt. Mit großer medialer Aufmerksamkeit wird der Fokus auf Startups gelegt. Zudem verspricht man sich von einem Gründerportal 4.0 oder von Kampagnen, wie „Frauen unternehmen“ nachhaltige Impulse. Gleichsam beschreiben die IHKs ihre Vision von einem „One stop shop“-Angebot, obwohl die Teilnehmerzahlen für Informations- und Beratungsangebote der IHKs jährlich sinken. Wenn man nun in Berlin die Zielgruppe der Flüchtlinge ausgemacht hat, die Gründerzahlen zu steigern, dann zeigt dies nur zu deutlich, welche Ratlosigkeit herrscht.

2. Frage
Die Politik in Berlin, die EU, die Förderbanken haben in den letzten Monaten einige neue Förderprogramme aufgesetzt bzw. erweitert. Wieso reichen diese Maßnahmen als Pull-Faktor nicht?

Antwort:
Startups, Innovationen für die Digitalisierung der Industrie – Stichwort Industrie 4.0 – sind wichtig für den Standort Deutschland. Deshalb unterstützen wir die Förderungen für diese Gründergruppe ausdrücklich. Allein – nur sieben Prozent aller Neugründungen kommen mit einer überregionalen Neuheit auf den Markt.

Seit Jahren erkennen wir einen Strukturwandel in Richtung Dienstleistungssektor, der mit einer Verschiebung zugunsten kleinerer Betriebe verbunden ist. Diese neuen Formen der Erwerbstätigkeit können mit großer Flexibilität auf Marktchancen reagieren. Zudem wächst mit der Wissensgesellschaft der Anteil der Tätigkeiten, der im Sammeln, Verarbeiten und Weitergeben von Informationen besteht, signifikant. Auch hier ist ein Trend zu Auslagerungen und atypischen Beschäftigungsformen festzustellen. Das Internet hat sich zu einer der stärksten Wachstumsbranchen entwickelt. Dennoch hat sich aus diesen Trends keine neue Gründerstimmung entwickelt.

Denn die Hemmnisse in der Gründerszene liegen auf der Hand. So haben Banken nach wie vor wenig Interesse an der Vergabe von Gründungskrediten, weil die Marge niedrig und der Bearbeitungsaufwand wie auch das Risiko hoch sind. Zusätzlich basieren die Vorgaben für Förderkredite größtenteils immer noch auf einem realititätsfremden Verhältnis von Investitionen zu Betriebsmitteln von 70:30. Dies wäre für Gründungen im produzierenden Gewerbe noch akzeptabel, doch Gründungen in diesem Bereich machen gerade 15% aller Gründungen aus. Dienstleister dominieren, und diese haben primär Personal- und Raumkosten zu schultern – das sind keine Investitionen.

Umfangreiche Zuschussprogramme für Berater haben die Anzahl der Berater zwar erhöht, aber leider nicht die Qualität der Businesspläne. Und was nützt eine Bezuschussung der Berater, wenn der Businessplan allerorts abgelehnt wird? Nach wir vor dauert eine Gründung durchschnittlich über sechs Monate, weil Anforderungen und Prozessabläufe nicht standardisiert sind und kaum Automatismen greifen.

Mit anderen Worten: An den organisatorischen Rahmenbedingungen für klassische Existenzgründer hat sich in den letzten Jahren kaum etwas geändert. Das ist der wesentliche Grund dafür, dass die Gründungszahlen dramatisch gesunken sind.

3. Frage:
Welche Maßnahmen schlägt der Deutsche Gründerverband vor, um das Gründungsgeschehen positiv zu beeinflussen?

Antwort:
Wenn es nicht gelingt, den Gründungsprozess nachhaltig effizienter zu gestalten, dem Gründer Planungssicherheit zu bieten und das Interesse der Banken an der Finanzierung des jungen Mittelstandes wieder zu wecken, werden die Zahlen weiter sinken.

Prozesseffizienz kann im kleinteiligen, aber komplexen Gründungsprozess nur über Automatisierung und Standardisierung erfolgen. Wo heute noch viele manuelle Teilprozesse erkennbar sind, resultiert aus einer Automatisierung dieser Teilprozesse – verbunden mit begleitenden automatisierten Teilprozessen, die die Einhaltung des Prozessablaufs gewährleisten – eine Prozesseffizienz, die sowohl die Gründungsdauer um mehr als die Hälfte verkürzt. Zudem versetzt sie auch Banken in die Lage, nachhaltige Kostensenkungspotenziale zu realisieren.

Der Deutsche Gründerverband hat deshalb unter Nutzung der Vorteile aus Automatisierung, Standardisierung und Digitalisierung die Initiative smartgründen ins Leben gerufen. Das Motto: Schneller. Besser. Digital.

Schneller, weil der Gründer ohne lange Suche einen erfahrenen Berater aus unserem Netzwerk aussuchen kann, der ihn nicht nur berät, sondern auch nach der Gründung begleitet. Schneller, weil bereits strategische Partnerschaften zu Versicherern, Finanzdienstleistern oder Leasinggebern bestehen. Die wochenlange Suche nach dem richtigen Versicherer, der kreditbereiten Bank entfällt.

Besser, weil die Idee des Gründers über ein konzeptkreatives System mit dem Berater entwickelt wird und durch ein eigens entwickeltes Rating, alle qualitativen und quantitativen Erfolgsfaktoren bewertet werden.

Digital, weil alle Informations- und Kommunikationsbedürfnisse ortsunabhängig und geräteneutral über eine Web-Plattform bedient werden.

Für Gründer bietet der smartgründen-Prozess einen Full Service mit hoher Planungssicherheit. Für Banken bedeutet die durchgehende Prozessoptimierung und -automatisierung erhebliche Reduzierung der Kosten und eine nachhaltige Senkung des Ausfallrisikos. Ergänzend lassen Früherkennungssysteme und Kennzahlensysteme Krisen rechtzeitig erkennen und vermeiden.

Wir beabsichtigen, den smartgründen-Prozess im Oktober 2016 im Markt einzuführen. Das Interesse, diesen Prozess zu nutzen, ist bereits sehr groß.

4. Frage
Sie haben die Qualität der Gründungsberatung teilweise in Frage gestellt. Welche Rolle wird der Berater künftig beim digitalen Gründungsprozess spielen?

Antwort:
Es ist unbestritten, dass die Erfolgsaussichten eines Geschäftskonzeptes erheblich größer sind, wenn der Gründungsprozess sowohl in der Vorgründungsphase als auch in der Nachgründungsphase von einem kompetenten Berater begleitet wird. Die Beratung lebt weiterhin von ihren Beratern, deren Know-how, Fähigkeiten und Beratungsverständnis. Beratung wird zum überwiegenden Teil eine manuelle Tätigkeit bleiben.

Die neuen Technologien verändern allerdings die Art und Weise, wie eine Beratungsleistung erbracht wird. Die Veränderung durch Digitalisierung ist weit mehr, als einfach das Reisen überflüssig zu machen oder die Kommunikation zu vereinfachen. Vielmehr befindet sich die Beratung an sich in einem Wandel. Der etablierte Beratungsprozess wird transformiert.

Mit der Einführung digitaler Prozesse bekommt der Gründungsberater erstmals die Möglichkeit, in seiner täglichen Arbeit beim Gründer modernste Informationstechnologien wertschöpfend in seiner Beratungsleistung zu verankern, wie beispielsweise die Ergebnisse von Standortanalysen und Persönlichkeitstests, Plausibilisierungs-Tools und branchenspezifische Kennzahlen. Durch die Interpretation und Bewertung der externen Dimensionen wie Standort, Innovationsgrad, Marktentwicklung, Zielgruppen, Lieferanten und die Wettbewerbssituation fällt dem Berater eine Schlüsselrolle zu. Mit der Zusammenfügung der parametrisierten Bausteine entwickeln Berater und Gründer gemeinsam modular ein ganzheitliches Geschäftskonzept.

5. Frage
Eine geniale Geschäftsidee, ein gutes Team, ein finanzielles Polster – was ist das Wichtigste für eine erfolgreiche Gründung?

Antwort:
Gute Geschäftskonzepte entstehen nicht durch geniale Einfälle, sondern sind das Produkt einer konsequenten Systematik. Die Qualität der Idee ist ohne Zweifel ausschlaggebend, aber sie ist nur das Rohmaterial. Kritisch zu bewerten ist in diesem Zusammenhang die allgemeine Anforderung nach Innovationen: Nicht der Grad der Innovation entscheidet über den Geschäftserfolg, sondern die Marktakzeptanz.

Ich vergleiche den Entwicklungsprozess eines Geschäftskonzeptes immer mit einem Puzzle. Der oder die Gründer haben ein unpräzises Bild vor Augen, wie das Puzzle aussehen könnte, glauben aber an eine Lösung. Einige Puzzleteile bringt der Gründer zum Berater mit, vielleicht sind es schon die Ecken. Gemeinsam mit ihm entwickeln er oder sein Team neue Teile – und nach und nach ist ein komplettes Bild zu erkennen.

Wenn es zwei Dinge gibt, die Gründer beherzigen sollten, dann

• sollten Gründer wissen, dass sie keine Alleskönner oder Allesmacher sein müssen. Sie müssen aber wissen, wo sie Kompetenz erhalten können und sollten sich so umfassend informieren, dass sie die Kompetenz beurteilen können.
• sie sollten sich nicht auf den Innovationsgrad konzentrieren, sondern auf die Marktakzeptanz seines Angebotes. Die Idee kann noch so außerordentlich und begeisternd sein, wichtig ist, dass das Geschäftskonzept auch umsetzbar ist – wenn möglich bei Nutzung vorhandener Ressourcen.

Denn – Ihre Idee ist es wert!

Die leisen Töne einer Krise

5 Fragen an: Natalie Schnack

Natalie Schnack hilft als Sichtbarkeits-Coach Berufstätigen, mehr Sichtbarkeit und Präsenz zu finden, ohne sich verstellen zu müssen. In ihren Büchern „Leise überzeugen. Mehr Präsenz für Introvertierte“ und „30 Minuten Selbstbehauptung“ hat sie praxisnah und alltagstauglich beschrieben wie man eigene Qualitäten und Erfolge auf eine individuell, passende Art nach außen transportiert und anderen Menschen auf einer Augenhöhe begegnet, unabhängig von hierarchischer Stellung. Bevor sie sich 2009 für die Selbständigkeit entschieden hat, arbeitete die Diplom Wirtschaftsingenieurin (FH) über 10 Jahre in einem der größten Medienunternehmen Europas, zuletzt leitete sie das Projekt Kundenorientierung.

1. Wie wichtig ist Anerkennung durch den Chef für die Motivation der Mitarbeiter?

Anerkennung allgemein ist eines der wichtigsten Grundbedürfnisse eines jeden Menschen. Das zweite Grundbedürfnis ist der Wunsch nach Wachstum und Weiterentwicklung. Werden diese beiden Bedürfnisse nicht befriedigt, geht ein Mensch ein wie eine Blume ohne Wasser. Werden sie aber erfüllt, dann ist er motiviert immer weiter zu machen und über sich hinauszuwachsen. Wir verbringen die meiste Zeit auf der Arbeit, da ist es nur logisch, dass wir da verstärkt versuchen eben diese zwei Grundmotive zu befriedigen.

Ein cleverer Chef sollte sich dessen im Klaren sein. Weil er dafür da ist, seine Mitarbeiter so zu behandeln, dass sie bereit sind für ihn und das Unternehmen ihr bestes zu geben. Und somit gehören Feedback und Anerkennung zu seinen wichtigsten Aufgaben.

Natürlich sollte jeder lernen, seine Leistung auch selbst zu beurteilen und sich selbst anzuerkennen, damit man nicht ständig am Tropf der Rückmeldung von außen hängt. Und oft bekommt man auch Rückmeldung von Kollegen, die die Arbeit beurteilen können. Doch die Rückmeldung des Vorgesetzten hat schon mal auf Grund seines Status ein größeres Gewicht. Er entscheidet schließlich auch darüber, ob man mehr Geld bekommt oder befördert wird. Und wenn ein Mitarbeiter kein Feedback vom Chef bekommt, woher soll er wissen, wo er steht und in welche Richtung er sich weiter entwickeln kann.

Anerkennung bedeutet doch: „Ich erkenne an, was du bist, was du kannst und was du leistest.“

2. Sind Sie der Meinung, dass vor allem Frauen Probleme dabei haben, ausreichend Anerkennung und eine faire Entlohnung zu erreichen?

Das ist in der Tat meine Erfahrung aus dem Coaching, dass Frauen sich da schwerer tun. Es gibt verschiedene Ursachen, die zum Teil nach wie vor gesellschaftlich bedingt sind. Mein Eindruck ist es, dass Frauen es noch lernen müssen, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen und ernster zu nehmen. Sie sind sehr gut darin, darüber hinwegzugehen und sich mit dem zufrieden zu geben, was sie haben und sich zum Wohle anderer einzusetzen. Auch wenn sie sich eigentlich unwohl fühlen. Männer sind da geübter, wenn ihnen irgendetwas „stinkt“, dann kümmern sie sich darum. Natürlich ist es jetzt pauschal, es gibt immer solche und solche, aber in der Masse stimmt es schon.

Wenn eine Frau, die keine oder kaum Anerkennung bekommt und auch nicht leistungsgerecht entlohnt wird und das eigentlich weiß, sich aber ständig einredet, dass das so schlimm ja gar nicht ist, dass sie doch aber dafür spannende Arbeit machen darf und überhaupt froh sein soll, dass sie als Frau so weit gekommen ist, dann liegt es auf der Hand, dass da auch nichts kommt. Wer nichts für sich einfordert, bekommt meist auch nichts.

3. Wie sieht es mit unsicheren Berufseinsteigern aus, die ihren Marktwert und ihre Kompetenzen noch nicht richtig einschätzen können?

Jeder hat Kompetenzen, jeder hat Stärken und Fähigkeiten. Ich sage das extra, weil es mir oft begegnet, dass Menschen auf die Frage nach ihren Stärken nur mit den Schultern zucken. Ich spreche da von drei Fallen, in der gerade unsichere Menschen oft tappen:

  1. Selbstverständlichkeitsfalle. Wenn man das, was man kann und bisher an Erfolgen erlebt hat als selbstverständlich und nichts Besonderes erachtet, dann wird es schwer, sich neue Dinge zuzutrauen.
  2. Vergleichsfalle. Wenn man die eigenen Fähigkeiten als etwas selbstverständliches und ohne wirklichen Wert sieht, dann ist eh klar, dass man zu anderen rüber schielt und der Meinung ist, was die anderen können ist alles viel besser. Man selbst fühlt sich im Vergleich klein mit Hut.
  3. Nie-genug-Falle. Wenn das was man bisher kann nicht vom wert ist, wenn die anderen viel toller sind, dann kommt man schnell auf die Idee, dass man so wie man ist nicht gut genug und unzureichend ist, dass man sich erst verändern muss, bevor man sich für würdig erachten würde.

Dass das kirre und völlig unsicher macht, ist kein Wunder.

Deswegen ist meine Empfehlung: lernen Sie sich so wie Sie gerade sind und mit all dem was Sie gerade können und mitbringen, wertzuschätzen. Das ist garantiert eine ganze Menge. Die Sicherheit bekommt man durch eine andere Einstellung zu sich selbst. Es lohnt sich 1000 mal mehr daran zu arbeiten, als wenn man versucht, sich darauf hin zu optimieren, was man denkt, was gerade gefragt ist. Deswegen empfehle ich für die, die unsicher sind und sich nicht einschätzen können, in ein gutes Coaching zu investieren, wo es um Selbstakzeptanz geht. Statt wie es oft der Fall ist, mit der Rhetorik und Körpersprache oder an dem Auswendiglernen von angeblich richtigen Antworten für das Bewerbungsgespräch zu hantieren.

4. Wie erlange ich mehr Selbstbewusstsein bei der Erfüllung meiner beruflichen Tätigkeit?

In dem ich es lerne, meine Wünsche und Bedürfnisse, die ich an das Berufliche habe, wahrzunehmen und ernst zu nehmen. In dem ich mich ganz bewusst kennenlerne und an einer positiven Einstellung zu mir, zu dem was ich kann und leiste arbeite. Im Grunde habe ich es schon oben beantwortet.

5. Ist es sinnvoll Lob und Anerkennung beim Chef einzufordern?

Klar. Ich bin eine Verfechterin klarer Worte. Damit meine ich nicht, dass man rummaulen soll, dass man bisher keine Anerkennung bekommen hat, oder den Chef über seine Pflichten belehrehren soll. Aber den Wunsch danach zu äußern, zu begründen, warum das für Sie wichtig ist – das halte ich für enorm wichtig. Denn da wären wir wieder bei dem Thema: die eigenen Bedürfnisse ernst nehmen. Hier erlebe ich sehr oft, dass die Erwartungshaltung einfach da ist, dass der Chef eben dazu da ist, und müsste doch sehen …. Und wenn er es eben nicht sieht, dann wird geschmollt.

Dabei sollte man nicht unterschätzen, dass der Chef womöglich selbst in seinem Leben noch nie oder kaum Anerkennung von anderen bekommen hat. Vielleicht kennt es das gar nicht. Deswegen empfehle ich: gehen Sie vor, geben Sie Ihrem Chef Anerkennung für das was er ist und was er leistet. Und zwar nicht einmal, sondern auf Dauer. Wenn Sie überhaupt den Fokus darauf richten, was Ihre Kollegen und Ihr Chef Gutes tun und das aussprechen, steigt die Wahrscheinlichkeit überproportional, dass auch Sie dann solche Rückmeldungen bekommen werden. Und die Ausreden, dass man ja eben kein Schleimer ist, lasse ich hier nicht gelten. Was man für sich erwartet, sollte man auch einem anderen gönnen.

Ein Mensch, der nicht in der Konsumhaltung darauf wartet, dass andere von alleine das liefern was er braucht, sondern bereit ist, die Sache respektvoll selbst in die Hand zu nehmen, bekommt ganz sicher Anerkennung und die Möglichkeit sich weiter zu entwickeln.

5 Fragen an: Kirsten Biema

Kirsten Biema, Jahrgang 72, hat bereits während des Jurastudiums u.a. für amerikanische Unternehmen im Bereich der Personalentwicklung und des Personalmarketings gearbeitet. Nach dem ersten Examen kamen weitere Qualifikationen im HR, Trainings- und Beratungssegment hinzu. Seit nun mehr als 20 Jahren ist sie als Trainerin und seit 14 Jahren zudem als Beraterin und Coach mit der eigenen Unternehmensberatung coach quest & Partner erfolgreich im Einsatz.

1. Was ist Changemangement?

Grundsätzlich versteht man heute unter Veränderungsmanagement alle Aufgaben und Maßnahmen, die eine umfassende und inhaltlich weitreichende Veränderung nach sich zieht. Hierbei kann es sich um Veränderungen in Abteilungen, aber auch in gesamten Organisationen handeln. Insbesondere geht es hierbei um die Umsetzung neuer Strategien, Strukturen, Unternehmenskultur, Qualitätsprogrammen, Reorganisationen, Restrukturierungen von Unternehmen, Fusionen, Arbeitsabläufe und Verhaltensweisen. Ziel des Veränderungsmanagements ist es sich schnell dem äußeren verändernden Umfeld anzupassen. Immer häufiger finden die Ansätze des Veränderungsmanagements auch im Kleinen Anwendung. Also dann, wenn sich Menschen verändern möchten.  Gerade in den letzten zwei Jahren entdecken viele, dass es da noch mehr gibt und möchten diesen Weg professionell begleitet gehen.

2. Welche Unternehmensbereiche betrifft Changemanagement am häufigsten? 

Aus meiner Erfahrung ist Veränderungsmanagement ein Tool, welches in allen Bereichen eines Unternehmens einsetzbar ist.  Also vom Top-Level Management über Strategieabteilungen, Stabsstellen, Vertrieb, Personalentwicklung, Forschung, im Service bis hin zur Bearbeitung von Projekten. Immer häufiger werden Teilaspekte umgesetzt und ziehen oftmals einen viel größeren Wirkungskreis nach sich.

3. Wie läuft ein die Umsetzung des Veränderungsprozesses dann in der Praxis ab?

Dies kann sehr unterschiedlich sein. Wie bereits gesagt, gibt es für das Anstoßen eines Veränderungsprozesses verschiedene Motivationen aus Sicht des Unternehmens. Wenn dann der Prozess angestoßen werden soll gibt es verschiedene Phasen, die typischerweise durchlaufen werden. Diese Phasen verlaufen nicht immer chronologisch, oftmals eher logisch. Manche überschneiden oder überholen sich. Eine Transparenz der einzelnen Schritte hilft dennoch den Überblick zu bewahren. Für die Umsetzung gibt es verschiedene Modelle. Ich selber arbeite in meiner Praxis mit dem Phasenmodell nach John P. Kotter. Dieses Modell setzt an der Stelle an, wo eine Veränderungsnotwendigkeit ersichtlich ist. Die einzelnen Schritte sind nach diesem Ansatz:

  • Gefühl der Dringlichkeit vermitteln
  • Führungskoalition aufbauen
  • Vision und Strategie entwickeln
  • Vision kommunizieren
  • Hindernisse aus dem Weg räumen
  • Kurzfristige Erfolge sichtbar machen
  • Veränderung weiter antreiben, nicht nachlassen
  • Veränderungen in der (Unternehmens-)Kultur verankern

4. Welche Folgen kann dies für die Mitarbeiter eines Unternehmens haben?

Die Folgen eines Veränderungsprozesseses können für die betroffenen Mitarbeiter (engl. „Stakeholder“) sehr unterschiedlich sein. Zunächst einmal bedeutet es für viele Mitarbeiter Stress, aufgrund der Veränderungen von Abläufen. So entsteht oftmals Angst, weil vielleicht eine Transparenz nicht gegeben ist oder die Sinnhaftigkeit nicht an die Mitarbeiter transportiert wird. Es ist ein erlerntes Verhalten, dass viele Menschen auf Veränderungen mit Abwehr reagieren. Veränderungen sind für viele mit Unsicherheit über die Zukunft verbunden und können als Gefahren und Risiken wahrgenommen werden. Daher ist es wichtig in den einzelnen Phasen des Prozesses mit den Mitarbeitern in einem aktiven Dialog zu bleiben. Ein Veränderungsmanagement kann resp. sollte Informations- und Schulungsmaßnahmen beinhalten. Aber auch individuellen Coaching, iterative Beratung, Arbeitsgruppen und kollektive Veranstaltungen.

Bestenfalls will sich der Mitarbeiter an die neue Strukturen, Aufgaben und Abläufe gewöhnen und seine persönliche Arbeitsleistung daran ausrichten. Schlimmstenfalls lehnt der Mitarbeiter die Veränderung ab.

5. „Die Betroffenen zu Beteiligten machen.“ – Was bedeutet diese im Rahmen des Change Managements häufig verwendete Floskel?

Diese, wie Sie sagen Floskel, ist der Kern eines erfolgreichen Changeprojektes. Viele Menschen streuben sich vor Veränderung. Die einen bewusst, die anderen unbewusst. Unser konditioniertes Verhalten, welches wir von Kindesbeinen erlernen, sorgt dafür, dass wir uns sehr gerne in unserer Komfortzonen aufhalten. Also der Zone, die wir kennen – gleichgültig, ob diese gut und weniger gut ist. Menschen oder Organisationen aus dieser Komfortzone (Wir alle kennen solche Sätze:“ Das haben wir schon immer so gemacht“) zu bekommen, schafft man, indem man den Einzelnen und auch die Gruppe in die gestalterische Verantwortung nimmt. Lässt man die Betroffenen in der passiven, konsumierenden Position, erlangt man nicht die Bereitschaft, einen Schritt aus der Komfortzone, also den gewohnten Bahnen zu machen. Ist jede individuelle Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeit im Spiel fühlt sich der Einzelne gewehrschätzt und beteiligt.  Durch die methodische Begleitung wird der Unternehmung die Möglichkeit gegeben, diese Disziplin – der Veränderungsbereitschaft – und umsetzung –  für die Unternehmung auch lernbar zu machen. So kann das erlernte Verhalten immer wieder reproduziert werden. Das Veränderungsvermögen einer Unternehmung gehört heute zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren.

5 Fragen an: Anja Gerber-Oehlmann

Anja Gerber-Oehlmann ist Business Coach und Managementrainerin. Die Volljuristin arbeitete nach ihrem Studium zehn Jahre für einen IT-Konzern als Vertrags- und Verhandlungsspezialistin bevor sie als Managing Consultant in eine Unternehmensberatung wechselte. Als Coach berät sie heute Unternehmer und Führungskräfte zu Themen wie Mitarbeiterführung, Karriere und Verhandlungsgeschick. Außerdem ist sie als selbständige Rechtsanwältin tätig.

1. Welche Möglichkeiten haben Unternehmen aus einer Gruppe von Mitarbeitern ein Team zu machen?

Teams und Arbeitsgruppen, in denen Mitarbeiter administrativ zusammengefasst werden, unterscheiden sich voneinander in ihrer Struktur, ihren Zielen, ihren Werten, der gelebten Arbeitskultur und im Selbstverständnis als Arbeitseinheit. Nicht immer eignen sich Aufgaben und Zielsetzung dazu, um aus einer administrativ zusammengefassten Gruppe ein Team zu machen.
Um also aus einer Gruppe ein Team zu formen, bedarf es zunächst eines gemeinsamen Zieles bzw. Arbeitsauftrags, einer Rollen- und Aufgabenverteilung, der Definition von Arbeitsabläufen sowie klaren Spielregeln innerhalb des Teams. Teams benötigen darüber hinaus Zeit, um sich zu entwickeln, denn dies ist ein Gruppenprozess, an dem alle Teammitglieder aktiv beteiligt sind. Man unterscheidet dabei vier Phasen:

  • die Forming-Phase (Testphase)
  • die Storming-Phase (Nahkampfphase)
  • die Norming-Phase (Orientierungsphase)
  • und die Performing-Phase (Arbeitsphase).

Im Verlauf dieser Phasen treten meist Probleme sowohl auf der Sach- als auch der Beziehungsebene auf. Hier ist die Führungskraft gefragt, diese konstruktiv mit dem Team anzugehen um nach und nach eine Leistungssteigerung zu ermöglichen.

Zur Unterstützung kann sich die Führungskraft zunächst im Hinblick auf seine Führungskompetenzen coachen lassen. Je nach Fragestellung ist auch ein Teamworkshop zu Beginn der Teambildung sinnvoll, um zum Beispiel gemeinsame Spielregeln aufzustellen oder um etwaige Aufgabenverteilungen zu klären. Teamworkshops können auch während der vier Phasen der Teambildung  als begleitendes Teamcoaching zur Lösung von Konflikten eingesetzt werden.

2. Worauf zielen Teamentwicklungsmaßnahmen ab?

Vereinfacht gesagt, zielt die Teamentwicklung darauf ab, eine erfolgreiche Zusammenarbeit des Teams zu ermöglichen, damit die gemeinsamen Aufgaben  bewältigt und die geforderten Leistungen erbracht werden können.
Dabei können die Maßnahmen sowohl auf der Sachebene (z.B. bei den Themen Aufgabenstruktur, Zielklarheit, Schnittstellen oder Kundenorientierung, ) als auch auf  der Beziehungsebene (z.B. der Kommunikation, dem Konfliktverhalten, der Kritikfähigkeit oder der Kooperation,) eingreifen.
Anlässe für die Teamentwicklung können beispielsweise die Neubildung von Teams, die Integration neuer und bestehender Mitarbeitern, eine Bestandsaufnahme der bisherigen Teamarbeit vor einer Expansion oder die Analyse und Verbesserung der bestehenden Arbeitsabläufe sein.
Hierbei spielt auch die Führungskompetenz der Teamleitung eine große Rolle, damit die getroffenen Teammaßnahmen auch nachhaltig wirken können. Teamentwicklungsmaßnahmen ersetzen nämlich nicht eine schwache Führung.

3. Konflikte, Mobbing, Sticheleien – Können Teamentwicklungsmaßnahmen diese Negativaspekte der Zusammenarbeit verhindern?

Konflikte und Streit gehören zum ganz normalen menschlichen Zusammenleben dazu. Insofern können Teammaßnahmen Konflikte vielleicht nicht vollständig verhindern, sie sind jedoch in der Lage, diese stark zu reduzieren. Sie tragen dazu bei, konfliktträchtige Situationen oder Verhaltensweisen frühzeitig zu erkennen um sie dann unter professioneller Anleitung konstruktiv zu lösen. Denn Ziel dieser Maßnahmen ist es ja gerade, das Zusammengehörigkeitsgefühl des Teams zu stärken, das Verständnis für einander zu fördern, Klarheit zu schaffen und ihm Methoden zur Konfliktlösung an die Hand zu geben.

4. Wie sollte ein Vorgesetzter mit Konflikten innerhalb seines Teams umgehen?

Die Führungskraft sollte nur in solche Konflikte eingreifen, die sich leistungsmindernd auswirken, sich  jedoch nicht in jede kleine Streiterei einmischen bzw. hineinziehen lassen.
Wichtig ist es, nicht vorschnell für eine Seite Partei zu ergreifen, sondern vor dem Eingreifen erst zu klären, ob der Vorgesetzte als Moderator erwünscht ist. Lehnen die Mitarbeiter dies ab, so muss klargestellt werden, dass Konflikte, die sich negativ auf die Leistung auswirken, auf Dauer nicht akzeptiert werden können. In diesem Fall müssen die Mitarbeiter den Konflikt also selbst zeitnah lösen oder sich einen anderen Moderator (z.B. einen Teamcoach) suchen.
Wird die Führungskraft als Moderator akzeptiert, dann sollte sie zunächst kurze Einzelgespräche führen. Anschließend wäre ein gemeinsames Gespräch mit den Beteiligten ratsam. Dabei sollte geklärt werden, was getan werden kann, um die bestehenden Spannungen auszuräumen.

Sollte ein Gespräch im gesamten Team notwendig werden, so sollte unbedingt vermieden werden, einen „Schuldigen“ zu suchen. Die Aufgabe des Vorgesetzten ist es hier, Verständnis für die Position des jeweils anderen zu wecken und das Team selbst konkrete Lösungsvorschläge erarbeiten zu lassen.

5. Welchen Einfluss haben individuelle Charaktere auf die Teamarbeit?

Grundsätzlich ist es wünschenswert, wenn sich in einem Team unterschiedliche Charaktere befinden.  Denn auf diese Weise können sich unterschiedliche Stärken und Schwächen am besten ausgleichen was bei einer guten Rollen- und Aufgabenverteilung, für eine hohe Effizienz des Teams sorgt.
Andererseits können sich stark unterschiedliche Persönlichkeitstypen aber auch gegenseitig blockieren. Die Andersartigkeit des Anderen wird dann nur schwer akzeptiert, was sich dann oft negativ auf die Kommunikation und die Entscheidungsfindung auswirken und eine effiziente und konstruktive Zusammenarbeit behindern kann.
Hier ist immer auch die Führungskraft gefragt. Denn seine Mitarbeiter richtig einschätzen zu können ist eine wichtige Voraussetzung, um die anstehenden Aufgaben an diejenigen Mitarbeiter zu delegieren, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und Vorlieben am besten für deren Bewältigung geeignet sind. Der Einsatz von Persönlichkeitsmodellen kann hier zusätzlichen Aufschluss über die unterschiedlichen Denk- und Verhaltensstrukturen der Teammitglieder geben.