Bei der Umsetzung von Resilienz in der Unternehmenspraxis sind einige Hürden zu überwinden.
Im ersten Beitrag der Serie erläuterte Gastautorin Alexandra Trautmann, inwiefern Mikromanagement der Entwicklung von Resilienz in Organisationen schadet. Im zweiten Teil führt sie auf, welche weiteren Voraussetzungen für ein Resilienz förderndes Umfeld bestehen.
Fokus Effizienz: Und was ist mit Belastbarkeit? Innovation? Flexibilität?
Warum wird bisher nur in wenigen Unternehmen Resilienz gelebt? Weil sich viele Unternehmen nach wie vor zu einseitig am Ziel Effizienz orientieren. Finanzexperte Bernard Lietaer (University of California, Berkeley) zeigt hingegen, dass ein zu hoher Grad an Effizienz eines Systems seine Instabilität steigert. Wie das zu verstehen ist? Lassen Sie uns beispielsweise eine Fichten-Monokultur betrachten. Diese ist leicht anzulegen und effizient zu ernten, jedoch sehr anfällig gegenüber Krankheiten. Ein Schädlingsbefall kann unter Umständen den gesamten Wald in Mitleidenschaft ziehen. Um dies zu verhindern, können Gifte eingesetzt werden, welche jedoch langfristig Schäden im Ökosystem verursachen. Mischkulturen sind deutlich weniger anfällig gegen Schädlingen, dafür aufwändiger in der Holzernte. Vielfalt ist also ein Faktor, der die Belastbarkeit deutlich erhöht.
Wie sieht das im Unternehmensalltag aus? Die Prinzipien Lean Production bzw. Lean Management sind vielerorts leitbildprägend für Effizienzsteigerungen, ohne dass gleichzeitig die Belastbarkeit der Organisation bei der Einleitung von Verschlankungs- und Kostensenkungsprojekten Berücksichtigung findet. Wer aber gerade so mit seiner Zeit und Kraft das Tagesgeschäft bewältigt, dem wird es kaum gelingen, in Zeiten großer Dynamik, Komplexität und Unsicherheit sinnvolle Veränderungen umzusetzen. Innovationen und Zukunftsgestaltung benötigen Zeit, Ressourcen und Freiräume – zum Nachdenken und zum Umsetzen. Veränderungen erschöpfen sich nicht darin, das Gleiche wie bisher in schnellerer Geschwindigkeit zu erledigen, sie zielen vielmehr darauf ab, neue Wege einzuschlagen.
Effizienzsteigerungen mögen für gestrige oder heutige Anforderungen sinnvoll sein, aber vielen hocheffizienten Organisationen gelingt es angesichts des „Durchhetzens“ nicht, zu lernen und sich an zukünftige Anforderungen anzupassen. Interne Veränderungsprojekte kommen beispielsweise nur schleppend voran, da sie meist mit Mitarbeitern besetzt werden, die bereits mit dem Tagesgeschäft bereits voll ausgelastet sind und die Mehrbelastung nicht dauerhaft tragen können. Zudem wird die Organisation relativ träge, da oft Ressourcen für die Korrektur von Fehlentwicklungen eingespart wurden.
Keine Frage von Entweder-Oder sondern von Sowohl-als-Auch: Effizienz und Belastbarkeit!
Effizienz ist von Bedeutung, keine Frage. Allerdings sollten wir uns zwei Aspekte vor Augen halten:
a) An welchen Stellen schießen wir mit unserem Bedürfnis nach Effizienz und Produktivität über das Ziel hinaus? Inwiefern gelingt es uns, in der VUKA-Welt – geprägt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz – mit klassischen Methoden wirklich noch effizient zu steuern, zu kontrollieren und zu entscheiden? Ist es beispielsweise sinnvoll, für Vertriebsmitarbeiter auf Tage herunter gebrochene Ziele zu definieren und messen zu wollen – oder ist dies vielmehr kontraproduktiv angesichts des Aufwands für die Erfassung, Auswertung und Steuerung im Reporting und Controlling?
b) Um mit Veränderungen und Unerwartetem umgehen zu können, hilft es, flexibel und wendig zu sein und die kollektive Intelligenz bzw. die gesamten zur Verfügung stehenden Ressourcen und Talente der Organisation auszuschöpfen. Ein Unternehmen, das sich ausschließlich darauf konzentriert, Abläufe hinsichtlich der Ressourcen Zeit und Kosten zu optimieren, gewährt nicht die erforderlichen Freiräume. Bezeichnend dafür ist, dass Führungskräfte in der Regel 70-80% ihrer Aufmerksamkeit und Zeit für die Arbeit im System (d. h. für die Effizienzsteigerung), jedoch nur 20-30% für die Arbeit am System (z. B. Erhöhung der Belastbarkeit, Potenzialentfaltung der Mitarbeiter) einsetzen (siehe „Musterbrecher: Führung neu leben„). Wie sieht das bei Ihnen aus?
Im Sinne eines nachhaltig stabilen Systems ist also eine Balance zwischen Effizienz und Belastbarkeit anzustreben.
Im dritten Beitrag lesen Sie, wie das gelingen kann.