Wozu gehen wir arbeiten? In Teil 1 dieser Serie ging es um den Unterschied zwischen den Fragen âWarum?â und âWozu?â â und nur das Wozu verweist auf einen Sinn. Ein Sinn zu arbeiten ist es, dem Unternehmen zu helfen, seine Ziele zu erreichen â die
Ein Unternehmensziel könnte es beispielsweise sein, Kunden zu binden. Zahlreiche Unternehmen versuchen Kunden durch professionelle Kundenbindungssysteme zu binden, machen aber ansonsten ihre Hausaufgaben nicht und handeln völlig sinnlos.
Wie ein Mietwagenanbieter beispielsweise. KĂŒrzlich meldete mir ein Mietwagen wenige Kilometer von meinem Heimatort entfernt, ich solle unbedingt nach dem Ăl schauen. Nun ist es nicht mein Auto, also schaue ich nicht nach dem Ăl. Ich kippe auch nicht irgendein Motoröl, das bei uns im Schuppen steht, in einen modernen High-Tech-Motor. Und schon gar nicht recherchiere ich, welches Ăl dieser Motor braucht. Sondern ich rufe die Hotline an und bitte, dass jemand um 18 Uhr zu mir nach Hause kommt und sich um das Auto kĂŒmmert. Bis dahin wird der Wagen ja durchhalten. Mich interessiert das Ăl eines Mietwagens nicht. Ich stecke keine Zeit in den Gedanken, wie es einem Mietwagen technisch geht. Das Auto gehört mir nicht. Das ist die Kundensicht.
Kurz nach meinem Anruf bei der Mietwagen-Hotline meldete sich die Assistance des Herstellers. Man hÀtte eine Adresse, wo das Auto sei, wann man denn vorbeikommen solle. Ich wiederholte: Um 18 Uhr.
Gegen 18 Uhr â ich war inzwischen zu Hause â meldete sich ein junger Mann per Telefon. Er sei von einer Werkstatt, solle Ăl nachfĂŒllen und wĂŒrde jetzt losfahren, er hĂ€tte etwa 45 Minuten Anreise. Ich sagte, ich weiĂ nicht, ob Sie Ăl nachfĂŒllen mĂŒssen. Ich habe hier nur bei einem Neuwagen eine Fehlermeldung auf dem Display. Er fragte, wo ich denn sei. Ich wiederholte meine Adresse, die er eigentlich kennen mĂŒsste. Er fragte nach der MobilitĂ€tsgarantie. Ich antwortete: Keine Ahnung, die interessiert mich nicht. Es ist ein Mietwagen. Er sagte, er fahre jetzt los.
Zehn Minuten spĂ€ter rief er wieder an; er war noch nicht losgefahren. Er sagte mir, dass natĂŒrlich Kosten auf mich zukĂ€men. Er mĂŒsse einen Auftrag schreiben, und den mĂŒsse ich unterschreiben. Ich antwortete, den Auftrag erteilt die Mietwagenfirma, nicht ich. Doch er bestand darauf. Also sagte ich dem Mann ab, wĂŒnschte ihm einen schönen Feierabend und rief bei der Mietwagenfirma an.
Ich fragte: Warum sage ich alles doppelt? Wieso funktioniert Ihr Informationsfluss nicht? Wieso soll ich mich mit der MobilitÀtsgarantie eines Mietwagens herumschlagen? Wieso schicken Sie nicht einfach jemanden vorbei, so wie Sie es versprechen, wieso gibt es Gedöns? Wieso soll ich einen Auftrag unterschreiben, wenn doch die Mietwagenfirma der Auftraggeber ist? Die gleichen Fragen stellte ich auch der Hersteller-Assistance.
Das Ende vom Lied: Die Mietwagenfirma schickte den ADAC. Und ich fragte, wieso sie das nicht gleich getan hĂ€tten. Antwort: Man sei angehalten, zuerst ĂŒber die Assistances der Hersteller beziehungsweise Importeure zu gehen. Und die Hersteller-Assistance hatte mir das Chaos damit erklĂ€rt, dass nun einmal Wochenende sei.
Was lernen wir aus dieser Geschichte?
1. Kundenbindungsprogramme in Form von Kundenkarten sind sinnlos, wenn ein Unternehmen die simpelsten AblÀufe nicht beherrscht und damit Kunden abschreckt.
2. Kundenbindung funktioniert durch PlausibilitĂ€t, nicht durch bĂŒrokratischen Terror.
3. Ein Unternehmen versaut sich seinen Ruf, wenn es die einfachsten Informationen nicht richtig kanalisiert.
4. Ich hatte GlĂŒck, dass ich bei dem zeitraubenden Theater zu Hause war und nicht irgendwo auf der Autobahn stand. Es ist in meinen Augen höchst riskant, bei dieser Firma wieder ein Auto zu mieten â im Extremfall lassen sie einen in der Wallachei an den firmeninternen AbsurditĂ€ten stundenlang verzweifeln.
5. Viele Manager im Innendienst interessieren sich anscheinend nicht fĂŒr ihre Kunden. Sie implementieren theoretische Kundenbindungsprogramme, treten aber die Kundenbelange ansonsten mit FĂŒĂen.
Die beste Ausrede war noch die, es sei Wochenende. Egal, ob jemand bei einer Mietwagenfirma oder bei einem Autohersteller arbeitet: Es genĂŒgt ein simpler Blick von einer AutobahnbrĂŒcke, um zu erkennen, dass Menschen tatsĂ€chlich auch am Wochenende Auto fahren (man mag es als Innendienstler nicht glauben, aber es ist so). Im Ergebnis steht man am Wochenende fast hilflos da, weil zahlreiche Entscheider in den Unternehmen sehr theoretisch zu denken scheinen â und das, obwohl sie natĂŒrlich auch selbst am Wochenende Auto fahren.Und jetzt stellen Sie sich vor, ich hĂ€tte von diesem Mietwagenanbieter eine Kundenkarte. Sehen Sie, dass diese Karte völlig wertlos wĂ€re? Mit seinem konkreten, praktischen Handeln vergrault mich der Mietwagenanbieter. Solange es am Wochenende keinen zeitsparenden Support gibt, brauche ich keine Kundenbindungskarte.
Lautet das Ziel also Kundenbindung, wĂ€re das Management klug beraten, die Situation des Kunden von ihrer konkreten Situation her zu denken, von der Performance des Unternehmens im Ergebnis. Performt das Unternehmen am Ende absurd? Dann sollte das Unternehmen hier korrigierend eingreifen, und zwar wieder vom Ergebnis aus gedacht. Das Produkt selbst â ein schicker Mietwagen â ist nicht alles: Es geht auch um den Service, den ein Unternehmen in der Ausnahmesituation bietet.
Und ĂŒbrigens: Ob Personal gut ist, erfahren Sie niemals im Alltag. Sie erfahren es dann, wenn die Routinen versagen. Und Sie werden feststellen: Gute Leute denken stets vom Ergebnis her. Sie fragen âWozu?â und wollen wahre Kundenbindung â nicht nur eine per Karte.