Die sogenannten „weichen Faktoren“ tragen wesentlich zu Erfolgen oder auch Misserfolgen im Unternehmen bei. Oft unterschätzte „weiche Faktoren“ sind fremdsprachliche Kompetenz und Interkulturelles Know-How bei Mitarbeitern und Führungskräften. Wenn diese notwendigen Kompetenzen fehlen und dadurch Fehler erfolgen, kann das teure Konsequenzen haben.
Die folgende Situation ist ein trauriges Beispiel für einen solchen Vorfall. Dieser Vorfall hat sich tatsächlich zugetragen.
Hier findet sich eine sehr tückische Kombination: Mangelhafte Sprachkompetenz des Mitarbeiters kombiniert mit fehlendem interkulturellen Einfühlungsvermögen der Führungskraft. Mit folgenschwerem Ausgang…
Die Situation:
Ein Ingenieur aus Osteuropa war für die Leitung eines Projektes verantwortlich. Es handelte sich um ein Projekt das hohe technische Kompetenzen erforderte. Die Projektsprache war Englisch, das Projektteam multinational. Der Projektleiter war fachlich hochkompetent, ein absoluter Experte, das Team war ebenfalls fachlich top. Trotz dieser hohen Fachkompetenz lief das Projekt völlig schief, es hagelte Probleme. Resultate waren Verzögerungen und eine regelrechte Explosion der Projektkosten.
Der Grund:
Einfach und erschreckend! Dem Projektleiter fehlten die erforderlichen Englischkenntnisse. Tatsächlich befand sich sein englischer Sprachlevel auf einem sehr niedrigen Niveau (Anfang A2 des GER*). Daher verstand er nur einen kleinen Teil der Kommunikation im Team. Er hielt sich zurück, tat alles um seine fehlende sprachliche Kompetenz zu vertuschen. Dem Team fehlte die Leitung, der Input des Projektleiters. Aber auch Anregungen aus dem Team wurden nicht umgesetzt, weil sie oft vom Projektleiter nicht- oder missverstanden wurden.
Die Fragen:
Wie konnte es dazu kommen, dass ein Projektleiter eingesetzt wurde ohne dass seine Kompetenzen im sprachlichen Bereich sichergestellt wurden? Warum wies der Projektleiter nicht darauf hin, dass seine Englischkompetenzen für die ihm gestellten Aufgaben nicht ausreichten? Warum fiel niemandem auf, nicht den Team Mitgliedern, nicht dem Vorgesetzen, dass der Projektleiter nicht ausreichend Englisch sprach und verstand?
Die verblüffende Antwort:
Der Projektleiter stammt aus einem Kulturkreis in dem die Wahrung des Gesichts sehr wichtig ist. Sich eine Blöße zu geben, fehlenden Kompetenzen einzugestehen, sind für einen Menschen der aus dieser Kultur stammt, mehr oder weniger eine Unmöglichkeit. Seine mangelhaften Englischkenntnisse waren dem Projektleiter peinlich, also verschwieg er seine Schwierigkeiten. Er war sehr bestrebt seine mangelnden Kompetenzen zu verbergen. Dies gelang ihm erfolgreich über längere Zeit, bis die Situation zufällig aufgedeckt wurde.
Erschwerend kam hinzu, dass der Arbeitgeber bei seinen Führungskräften „gute Englischkenntnisse voraussetzte“. Denn, „die hatten Englisch doch auf der Uni gehabt“.
Eine explosive Mischung mit traurigem Ergebnis:
Der Projektleiter verlor die Leitung des Projekts. Für ihn war der daraus resultierende Gesichtsverlust nicht tragbar und er kündigte. Eine lose-lose Situation für beide Seiten.
Das Fazit:
Mangelhafte sprachliche Fähigkeiten können sehr viel Geld kosten, und, interkulturelle Faktoren spielen oft eine maßgebliche Rolle, obwohl sie nicht offensichtlich in Erscheinung treten.
* Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen
Im nächsten Artikel: „Wir setzen gute Englischkenntnisse voraus“