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5 Fragen an Ralf Schmitt

Unsere Zeit ist schnell und wird immer schneller. Zeit für ausgefeilte Pläne bleibt nur selten und immer häufiger müssen wir spontan gute Entscheidungen treffen. Spontaneitätsexperte Ralf Schmitt zeigt, wie das geht.

 

 

1. Herr Schmitt, es heißt, dass planende Menschen erfolgreicher sind? Unsere Zeit erfordert aber schnelle und spontane Entscheidungen. Ist das ein Widerspruch?

Einen Plan zu haben, ist erst einmal gut – auch einen Plan B und C für vorhersehbare Komplikationen. Aber alles können wir nicht im Voraus überblicken, wie sehr wir auch in starren Plänen und Prozessabläufen feststecken.

Auch wenn wir uns auf Regeln fokussieren und uns an Anleitungen halten, geschieht das, was wir Leben nennen: Plötzlich ist alles anders und wir können nicht damit umgehen, weil es für diese Herausforderung kein Regelwerk gibt, an dem wir uns entlanghangeln können.

Unsere scheinbare Sicherheit ist dahin und wir stehen regungslos vor einem Berg von Ratlosigkeit. Sie sehen schon: Es gibt einfach keine Sicherheit. Sie ist reine Illusion.

Um aber bei Herausforderungen nicht in Schockstarre zu verfallen, brauchen wir eine gewisse Flexibilität im Kopf, die uns erlaubt zu improvisieren. Die gute Nachricht ist: Diese Spontaneität lässt sich schon mit wenig Zeitaufwand und einfachen Übungen trainieren.

 

2. Haben Sie einen einfachen Tipp für uns? Und was passiert, wenn wir den befolgen?

Spontaneität fängt ganz einfach damit an, regelmäßig „ja“ zu sagen. Damit lassen wir uns auf Veränderungen ein. Ich meine auf keinen Fall ein „Ja, aber …“. Denn das ist ein verstecktes „Nein“. Ich spreche von einem „ja, und …“, das uns erlaubt, flexible Möglichkeiten nicht nur in Erwägung zu ziehen, sondern auch wirklich umzusetzen. Ein klares „Ja“ ist der erste Schritt in Richtung gesteigerter Spontaneität und weniger Planungsstress.

Ich sehe das so: Wenn eine neue Herausforderung aus dem Nichts auftritt, haben wir zwei Optionen: Wir können uns über diese neuen Hürden ärgern und in eine Schockstarre verfallen. Das vergleiche ich gerne mit einem Kaninchen, das stocksteif im Lichtkegel eines heranrasenden Sportwagens steht, anstatt in Sicherheit zu hoppeln.

Oder wir geben unserer Spontaneität eine echte Chance und wagen den Sprung ins kalte Wasser.

Das bewirkt, dass wir viel wacher durchs Leben gehen und plötzlich neue Wege entdecken, die uns bisher gar nicht aufgefallen sind. Diese Wege führen uns zwar raus aus unserer Komfortzone, aber dafür rein ins Abenteuer Leben.

Wir gelangen plötzlich an Orte, die wir bisher nicht kannten und die uns neue Perspektiven eröffnen. Wir gehen auf Erlebnisreise und meistern ganz nebenbei immer wieder neue Herausforderungen. Und das alles nur, weil wir „Ja“ gesagt haben.

 

3. Aber machen wir bei so einer unvorhersehbaren Handlungsweise nicht viel zu viele Fehler? Kann dieser Schuss nicht auch nach hinten los gehen?

Ja. Bei einem Sprung ins Unbekannte geben wir ein Stück unserer Kontrolle ab. Das heißt auch, dass wir Fehler machen könnten. Aber selbst, wenn wir uns immer an alle Regeln und Pläne halten, sind wir vor Fehlern nicht gefeit. Wir begehen alle immer wieder Fehler und das ist gut so. Ich verstehe nicht, warum sie immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft sind. Denn zum einen führen Fehler dazu, dass wir stetig dazulernen.

Es gäbe zahlreiche wunderbare Erfindungen wie zum Beispiel Post-its oder Penicillin nicht, wenn die Schöpfer nicht etwas falsch gemacht hätten. Zum anderen können wir Fehler nie vollständig vermeiden, weil wir nie alles, was passieren kann in unsere Planung miteinbeziehen können.

Ich glaube, der beste Weg, um Fehler zu vermeiden, ist sie zuzulassen. Je weniger wir uns mit ihrem Verhindern beschäftigen, desto lockerer werden wir und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, gravierende Fehler zu begehen oder zu scheitern.

Und wenn doch, dann zitiere ich gerne Henry Ford, der in jedem Scheitern auch immer den Fortschritt gesehen hat: „Wenn alles gegen dich zu sein scheint, dann erinnere dich, dass ein Flugzeug nur gegen den Wind abhebt und nicht mit dem Wind.“ Wichtig ist nur, dass wir nicht dieselben Fehler immer wieder machen, sondern aus ihnen lernen.

An dieser Stelle kann ich sogar noch poetisch werden. Oscar Wilde hatte nämlich auch eine schlaue Meinung hierzu: „Der Profi macht nur neue Fehler. Der Dummkopf wiederholt seine Fehler. Der Faule und der Feige machen keine Fehler.“

 

4. Wie genau kann uns Spontaneität hierbei unterstützen?

Indem wir lernen, mit Unvorhergesehenem umzugehen, sind wir gegen Schwierigkeiten und Fehler einfach besser gewappnet. Hand aufs Herz, wir neigen doch alle dazu, den Weg des geringsten Widerstands zu beschreiten. Und wenn etwas schwierig aussieht, dann lassen wir es lieber gleich von vorneherein sein. Dabei sind Herausforderungen der beste Trainingsgrund fürs Leben.

Denn wenn wir spontan auf etwas reagieren müssen, ist es doch gut, wenn wir darin geübt sind. Je öfter wir also aktiv spontan handeln, desto einfacher können wir Hindernisse überwinden und desto flexibler werden wir im Kopf. Sprich, je leichter uns Spontaneität fällt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit aus einer Stresssituation heraus, unnötige Fehler zu begehen. Also, am besten jeden Tag etwas Spontanes tun!

 

5. Veränderung ist ein gutes Stichwort. Warum kann nicht einfach alles so bleiben, wie es ist? In unserer Komfortzone kennen wir uns doch bestens aus. Wäre das nicht viel leichter?

In einer perfekten Welt wäre das wahrscheinlich so. Schließlich ist unser Gehirn darauf gepolt, immer den Weg des geringsten Energiebedarfs zu gehen. Es baut sich Datenautobahnen, die wir automatisch befahren. Ein Beispiel, wir gehen morgens auf dem Weg zur Bahn immer rechts aus der Haustüre raus, weil es der kürzeste Weg zur Haltestelle ist. Diesen Weg kennen wir im Schlaf.

Wir gehen ihn ganz automatisch so lange, bis sich etwas verändert. Denn unsere Welt ist nicht stet. Unser Leben ist ein permanenter Change-Prozess. Blöderweise gibt es seit heute eine Baustelle und wir sind gezwungen, links herum zu gehen. Ich verspreche Ihnen, es fühlt sich viele Tage lang seltsam an, den anderen Weg einzuschlagen.

Schon so eine Kleinigkeit kostet uns Mühe. Wenn wir aber immer wieder einmal einen anderen Weg zur Bahnhaltestelle einschlagen und den Autopiloten einfach einmal ausgeschaltet lassen, fällt uns die Baustelle kaum auf.

Es gibt ja Alternativen und die können wir jederzeit nutzen. Das Schönste dabei ist, dass wir ohne Autopilot, die Welt um uns herum plötzlich völlig anders wahrnehmen. Indem wir immer mal wieder ein wenig anders zur Bahn laufen, achten wir wieder mehr auf unsere Umwelt. Plötzlich entdecken wir, dass in der Parallelstraße ein neues Café aufgemacht hat, in dem es unseren Lieblingskuchen gibt.

Dort kommen wir mit der Besitzerin ins Gespräch, die uns erzählt, dass sie bei der Steuer dringend ein wenig Hilfe brauchen könnte. Sie kennen sich damit aus und unterstützen sie gerne. Sie ist dankbar und lädt sie zum Essen ein. Es kommt, wie es kommen muss, sie verlieben sich ineinander, heiraten ein Jahr später und jetzt führen sie das Café gemeinsam.

 

Über den Autor:

Seit rund 20 Jahren ist und macht Ralf Schmitt (www.schmittralf.de) bereits spontan. Er trainiert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Firmen wie Mercedes Benz, BMW, der Telekom AG, Panasonic, Tchibo und des Bundesfinanzministeriums im Erfolgsfaktor Spontaneität.

Er moderiert Vorstandskonferenzen, Großveranstaltungen, Galas, Events auf Messen, leitet Podiumsdiskussionen oder steht als Vortragsredner unter seinem Dach-Thema „Flexibel im Kopf“ auf der Bühne. Ralf Schmitt ist außerdem Ensemble-Mitglied bei Deutschlands erfolgreichstem Improtheater „Steife Brise“ in Hamburg, Autor der Bücher „Ich bin total spontan, wenn man mir rechtzeitig Bescheid gibt“, „30 Minuten Spontaneität“ und „Ich bin total beliebt, es weiß nur keiner“ sowie Künstlerischer Leiter und Trainer der Impro-Hotels (www.impro-hotel.de) und Geschäftsführer der Impulspiloten GmbH.