Redaktion: Ist die Mentale Stärke – der Geist – die Basis für Erfolg? Ist Talent eher zweitrangig?
Czerner: Ja und Ja! Unsere mentale Verfassung ist entscheidend für die eigene Leistung. Bedeutet im Klartext: ich muss in einem ersten Schritt erst einmal erfolgreich denken, bevor ich in einem zweiten Schritt auch erfolgreich handeln kann. Ist der Geist nicht auf den Erfolg vorbereitet, kann ich ihn auch nicht auf der Handlungsebene abrufen. Talent ist dann tatsächlich zweitrangig.
Es hilft uns sicherlich schneller zum Erfolg zu kommen, aber es ist keine Garantie dafür. Talent ohne harte Arbeit und den nötigen Willen ist nichts wert. Viele Menschen sind gesegnet mit außergewöhnlichem Talent, schaffen aber den Sprung in die Spitze nicht, weil sie der Meinung sind, es wäre ein Selbstläufer. Ist es aber nicht. Talent oder kein Talent entscheidet also nicht über Erfolg oder Misserfolg.
Redaktion: Die ganze Thematik Mentale Stärke wird von vielen als Spinnerei abgetan oder auf den Leistungs-Sport reduziert. Sind diese Techniken wirklich universell einsetzbar?
Czerner: Ja, diese Techniken sind überall einsetzbar. Es macht überhaupt keinen Unterschied, ob es um eine Sportkarriere oder eine Businesskarriere geht. Die Herausforderungen sind die gleichen: Unter Druck die beste Leistung abrufen, Niederlagen und Rückschläge einstecken, Selbstzweifel, Ängste und viele mehr.
Im Spitzensport hat man jedoch früh erkannt, dass diese Herausforderungen im mentalen Bereich gemeistert werden. In der Businesswelt kommt dieser Aspekt viel zu kurz. Und wer der Meinung ist, mentale Stärke ist eine Spinnerei: Laufen Sie einmal über einen 10 cm breiten Balken am Boden und über einen 10 cm breiten Schwebebalken in zwei Meter Höhe – glauben Sie mir, dann kennen Sie den Unterschied ihrer mentalen Verfassung und die Verschiebung Ihres Leistungsvermögens.
Redaktion: Das was wir tun, soll uns doch Begeistern und Spass machen. In Ihrem Buch sprechen Sie davon, dass Erfolg nicht einfach passiert, sondern das Ergebnis von hartem Training ist. Also zurück zur Disziplin? Ohne sie geht es scheinbar doch nicht.
Czerner: Erfolglose Menschen suchen jeden Tag nach neuen Ausreden, warum sie keine Zeit haben etwas zu tun. Erfolgreiche Menschen bringen jeden Tag die nötige Disziplin auf etwas für ihre Zielerreichung zu tun. Erfolg ohne Leidenschaft kann nicht funktionieren. Wie will ich erfolgreich sein, wenn ich jeden Tag zu einem Job gehe, der mir keinen Spaß macht? Wie will ich mich über ein erreichtes Ziel freuen, wenn mir der Weg dahin keinen Spaß macht?
Leidenschaft ist Grundvoraussetzung – aber natürlich gibt es auch Dinge, die einem trotz aller Leidenschaft keinen Spaß machen. Ich gehe zum Beispiel mit großer Leidenschaft joggen und bereite mich in regelmäßigen Abständen auf Marathons vor. Besonders jetzt im Herbst finde ich es aber furchtbar im Regen trainieren zu gehen, weil es mir dann einfach keinen Spaß macht. Hier kommt die Disziplin ins Spiel. Wir brauchen sie, um Dinge zu erledigen, auf die wir keine Lust haben oder die uns keinen Spaß machen – trotz aller Leidenschaft.
Redaktion: Ein wichtiger Faktor ist Selbstvertrauen. Das Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten, das eigene Können. Wie kann man das trainieren? Wie baut man Selbstvertrauen nach Rückschlägen oder wenn man es „verbockt“ hat auf?
Czerner: Ganz wichtig ist es zunächst zu analysieren, warum man es verbockt hat. In der Regel liegt es selten an Dritten, sondern meistens an einem selbst. Je genauer ich weiß, warum ich es verbockt habe, desto mehr kann ich darauf hin arbeiten es zukünftig nicht mehr zu verbocken. Viele Menschen probieren etwas einmal und lassen es dann sein, wenn es nicht klappt. Dabei sehen sich viele dann auch als Versager. Es bringt aber nichts sich in Selbstgesprächen permanent fertig zu machen.
Innere Monologe wie „War ja klar, dass ich es versauen“ oder „Du bist einfach ein Versager“ sorgen für schwaches Selbstvertrauen – Positive Selbstbotschaften sind Grundvoraussetzung für mehr Selbstvertrauen. Einfach mal morgens nach dem Aufstehen zu sich selbst sagen, wie toll man ist. Sich seine Fähigkeiten immer und immer wieder bewusst vor Augen halten. Ein weiterer Punkt ist harte Arbeit.
Spitzensportler zum Beispiel sind selbstbewusst, weil sie wissen, dass sie gut trainiert haben und alles dafür getan haben, um eine Herausforderung erfolgreich zu meistern. Sie holen sich ihr Selbstvertrauen im Training – immer und immer wieder – solange bis sie sich ihrer eigenen Stärke bewusst sind. Die meisten Menschen hingegen konzentrieren sich immer darauf, nicht gut genug zu sein oder beschäftigen sich mit ihrem Scheitern.
Redaktion: Sie sprechen in Ihrem Buch von Zielen. Die Zielformulierung ist wohl das schwierigste überhaupt. Zu niedrige Ziele motivieren nicht, unerreichbare Ziele führen zu Frust. Wie setzt man realistische Ziele?
Czerner: Mit gesundem Menschenverstand. Da gibt es kein Patentrezept. Wenn ich noch nie Joggen war, ist das Ziel in 3 Monaten einen Marathon zu laufen mehr als unrealistisch. Hier wäre es ratsam mit Zwischenzielen zu arbeiten, damit die Motivation nicht sofort wieder verfliegt. Man fängt in 3 Monaten erst einmal mit einem 10 KM-Lauf an, setzt sich dann das Teilziel des Halbmarathons und in einem dritten Schritt den Marathon.
Es gibt ja das berühmte Think big – denke groß. Grundsätzlich ist es wirklich ein Problem, dass sich viele Menschen etwas großes zu erreichen überhaupt gar nicht vorstellen können, weil sie zu klein denken. Hier lautet die Devise: Denke groß, aber starte klein! Merke ich, dass ein Ziel zu groß angesetzt ist, dann muss ich es halt anpassen. Also anstatt den Marathon in den nächsten 3 Monaten, den Marathon in den nächsten 12 Monaten.
Redaktion: Viele Menschen erreichen – selbst realistische Ziele – nicht? Ich nehme das Beispiel „Ich werde jetzt abnehmen, mich mehr bewegen und mich gesünder ernähren“. Die Umsetzung ist nicht wirklich aufwändig. Dennoch gelingt es vielen nicht, dieses Ziel zu erreichen. Ist das Umsetzungsschwäche?
Czerner: Nein, es hat mit einer Umsetzungsschwäche nichts zu tun. Eher damit, dass das Ziel unzureichend ist und das Warum nicht klar ist. Nehmen wir das Ziel „Ich werde jetzt abnehmen“: Wie viel werde ich abnehmen? In welchem Zeitraum? Wie will ich das genau machen? Solch ein Ziel ist nichtssagend, weil es viel zu unspezifisch ist. Je genauer das Ziel, desto zielgerichteter kann ich darauf hinarbeiten. Und dann kommt natürlich wieder die Disziplin ins Spiel.
Die meisten Menschen sind der Meinung, Disziplin hat man oder man hat sie nicht. Das ist Blödsinn. Disziplin ist nur ein Symptom, die Ursache dafür ist unser Warum. Wir bleiben bei dem Ziel des Abnehmens: Ich muss wissen, warum ich abnehmen will. Je stärker dieses Warum ist, desto stärker wird zwangsläufig die Disziplin. Nehmen wir zwei Personen A und B – beide wollen abnehmen und werden nach dem Grund gefragt. Person A: „Ich glaube ich habe zu viel Gewicht.
Alle anderen in meinem Umfeld sagen, ich müsse ein wenig abnehmen, es würde besser aussehen.“ Person A wird das Ziel niemals erreichen, weil das Warum zu schwach ist. Person B hingegen: „Ich kann mich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen. Ich bin überhaupt nicht belastbar, sofort erschöpft und habe überhaupt keine Lust in ein paar Jahren gesundheitliche Probleme zu bekommen, weil ich so einen ungesunden Lebensstil habe. Mir reicht es!“ Diese Person wird das Ziel erreichen. Ihr ist das Warum klar und sie wird diszipliniert an die Umsetzung gehen.
Redaktion: Blackout! Das hat fast jeden schon einmal ereilt. Trotz intensiver Vorbereitung ist in der Prüfung oder Präsentation der Kopf wie leergefegt. Die Gedanken kreisen nur noch um die Versagensängste. Kann man dem wirklich begegnen?
Czerner: Ja, kann man. Viele Menschen beschäftigen sich vor wichtigen Ereignissen, ob nun die bevorstehende Präsentation oder eine Prüfung, gedanklich mit dem Scheitern. Je näher das Ereignis rückt, desto negativer werden die Gedanken. Alle Worst-Case-Szenarien werden gedanklich bis ins kleinste Detail durchgespielt. Genau hier beginnt der Misserfolg. Ich denke jeder von uns hat schon einmal einen Skifahren oder Rennfahrer unmittelbar vor dem Start gesehen, wie sie mit geschlossenen Augen völlig in Gedanken vertieft vor sich hin träumen.
Die schlafen nicht etwa, sie visualisieren den Erfolg. Dabei schauen sie sich selbst beim Siegen zu oder gehen die bevorstehenden Bewegungen noch einmal bis in kleinste Detail durch. Dabei gehen Sie auch das Worst-Case-Szenario durch – nur nicht mit dem Ausgang des Scheiterns, sondern wie sie dieses Szenario erfolgreich meistern. Diese durchgespielten Szenarien muss der Körper auf der Handlungsebene dann nur noch abrufen.
Das gleiche passiert bei den Menschen, die sich vorher gedanklich scheitern sehen – und sie werden scheitern, denn sie haben ihren Kopf darauf vorbereitet. Es mag für den einen oder anderen verrückt klingen, aber unser Körper macht nur das, was unser Unterbewusstsein ihm sagt – und das ist steuerbar. Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben das vor Jahren schon bestätigt. Erfolg beginnt im Kopf, Misserfolg aber auch!
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Markus Czerner ist seit 2012 als Keynote Speaker und Experte für mentale Stärke, Motivation und Erfolg unterwegs. In den letzten Jahren ist er zu einem Top-Speaker avanciert und bringt als solcher mehr Erfolg in das Leben seiner Zuhörer. Als aktiver Leistungssportler bringt er die Erfolgsstrategien der Spitzensportler immer wieder in seine Arbeit ein. Im Fokus seiner Arbeit steht der mentale Bereich, denn auch er hat früh erkannt, dass die mentale Verfassung entscheidend für die eigene Leistung ist und über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. www.markusczerner.de
Markus Czerner ist Herausgeber des Ratgebers Alles Kopfsache:
Punktgenau in Höchstform.
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