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5 Fragen an: York Hagmayer

PD Dr. York Hagmayer ist Akademischer Rat am Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie an der Universität Göttingen.Nach Stationen bei der IBM Academy of Management und am King’s College in London forscht er gegenwärtig zu Fragen der Entscheidungsfindung im medizinisch-psychologischen Bereich.

1. Was schränkt unser objektives Entscheidungsvermögen am stärksten ein?

Spontane emotionale Reaktionen können unser objektives Entscheidungsvermögen sehr stark einschränken. Ein gutes Beispiel sind impulsive Kaufentscheidungen. Uns gefällt etwas so sehr, dass wir das überwältigende Gefühl haben, genau das Angebotene haben zu müssen. Rationale Überlegungen werden in diesem Fall keine angestellt. Genau genommen geben wir in diesem Fall die Kontrolle über unser Verhalten ab. Nicht wir entscheiden, so das unwiderstehliche Angebot entscheidet, was wir tun.

Daneben sind unsere begrenzten kognitiven Fähigkeiten eine wichtige Einschränkung. Wir können nur eine begrenzte Menge an Informationen aufnehmen und verarbeiten. In komplexen Situationen ist die Informationsmenge häufig zu groß. Eine weitere Einschränkung ist, dass wir Entwicklungen in der Zukunft nur schlecht abschätzen können. Insbesondere nicht-lineare Zusammenhänge, zum Beispiel exponentielles Wachstum oder zyklische Schwankungen, machen uns große Probleme. Um objektiv entscheiden zu können, brauchen wir Hilfen, damit wir die Folgen unserer Entscheidung richtig abschätzen zu können.

2. In welchen Lebenssituationen neigen wir verstärkt zu „falschen“ Entscheidungen?

Das lässt sich pauschal nicht sagen. Das Risiko für Denkfallen ist bei Entscheidungen am größten, die wir selten treffen, bei denen viele Aspekte zu berücksichtigen sind und die Unsicherheit über die zu erwartenden Folgen hoch ist. Leider sind dies meist Entscheidungen, die von großer Tragweite sind: Partnerschaft, Kinder, finanzielle Entscheidungen. Da wir wenig Erfahrung mit diesen Entscheidungen haben und unsere Ziele meist unklar sind, besteht die Gefahr, eine Entscheidung zu treffen, die sich als nicht optimal herausstellt. Glücklicherweise erfahren wir nur in wenigen Fällen, dass eine andere Entscheidung besser gewesen wäre.

3. Wie können Führungskräfte ihre Mitarbeiterentscheidungen von subjektiven Wahrnehmungen und Gefühlen befreien?

Weder subjektive Wahrnehmungen noch Gefühlen lassen sind ausschalten. Es macht daher keinen Sinn dies zu versuchen. Vielmehr sollte es darum gehen, sich nicht von Einzelbeobachtungen leiten zu lassen und die Gründe für die Wahrnehmungen und Gefühle zu hinterfragen. Wahrnehmungen werden stark von unseren eigenen Annahmen geleitet. So deuten wir einen Fehler einer Person, die wir gut finden, eher als Zufall, sehen ihn aber bei einer anderen Person als Beweis für mangelnde Sorgfalt. Führungskräfte sollten also ihre Eindrücke hinterfragen, alternative Interpretationen des Beobachteten durchdenken und berücksichtigen, dass der erste Eindruck falsch gewesen sein könnte.

4. Wie wichtig ist eine ausgeprägte Entscheidungskraft für eine erfolgreiche Führungskraft?

Sehr wichtig, wenn es darum geht Entscheidungen nicht aufzuschieben. Auch Aufschieben ist eine Entscheidung und diese ist nur gerechtfertigt, wenn in absehbarer Zeit neue Informationen zur Verfügung stünden, die eine bessere Entscheidung erlauben würden. Eine wichtige Fähigkeit für Führungskräfte, die gerne übersehen wird, ist, verschiedene Entscheidungsstrategien zur Verfügung zu haben und je nach Situation anders zu entscheiden. Nehmen Sie eine militärische Führungskraft. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob ihre Aufklärung feindliche Annäherung meldet oder einen Angriff. Im ersteren Fall hat die Führungskraft die Zeit verschiedene Optionen zu erwägen, gegebenenfalls weitere Informationen einzuholen und sich mit anderen zu besprechen. Unter Feuer ist dafür keine Zeit vorhanden. Dann ist es wichtig zunächst auf erprobte Routinen zurückzugreifen und so sicherzustellen, dass durch den Stress nicht kopflos entschieden wird. Dadurch werden auch wieder Freiräume zum Nachdenken und weiteren Planen geschaffen. Ob militärische Führungskräfte diese Fähigkeiten beim Entscheiden beherrschen, wird übrigens regelmäßig in Übungen in Echtzeit getestet.

5. Wie sollten Arbeitnehmer bei der wichtigen Entscheidung – im Job bleiben oder neu orientieren – am besten vorgehen?

Als erstes gilt es, sich über die eigenen Wünsche und Ziele klar zu werden. Diese Frage scheint nur auf den ersten Blick einfach zu sein. Die meisten wollen eine spannende und fordernde Aufgabe, Verantwortung und eine gute Bezahlung. Dies sind aber nur Ziele, die sich unmittelbar auf den Job beziehen. Aber warum sind diese Ziele überhaupt wichtig? Welche anderen, übergeordneten Ziele gibt es? Wenn Glück und Zufriedenheit die übergeordneten Ziele sind, dann sind die genannten jobbezogenen Ziele nur ein Teilaspekt. Zwischenmenschliche Beziehungen, Anerkennung und Wertschätzung sowie Work-Life-Balance sind wesentlich wichtiger. Auch gilt es zu bedenken, was man unbedingt vermeiden will. Erst wenn die eigenen Ziele klar sind, macht es Sinn die Optionen zu betrachten. Gibt es neben im Job bleiben und neu orientieren weitere Optionen? Zum Beispiel sich im eigenen Unternehmen neu zu orientieren, oder eine Auszeit zu nehmen. Dann gilt es abzuwägen, ob und wenn ja wie stark die jeweiligen Optionen es erlauben, die eigenen Ziele zu erreichen. Die Option, die am wahrscheinlichsten zur Erlangung der gesetzten Ziele führt, ist rational die beste Entscheidung. Zusätzlich sollte man aber auch den Bauch-Check durchführen. Fühlt sich die beste Option gut an? Wenn nein, dann hat man bei den Überlegungen wahrscheinlich etwas übersehen. Wenn ja, kann man mit gutem Gefühl sich an die Umsetzung der Option machen.

Das Buch „Denkfallen: Klug irren will gelernt sein“ von Michael Hübler erschien im BusinessVillage Verlag.