5 Fragen an Heiko Stein

Heiko Stein ist Dipl. Kriminalist und Medienmanager (VWA). Er arbeitete u.a. als Journalist und Verkaufsleiter, bevor er in die Selbstständigkeit wechselte.
Heute berät, coacht und trainiert er in Sachen Vertrieb, Verhandlungsführung und Kommunikation. Er bloggt regelmäßig zu diesen Themen unter www.allesverhandlungssache.info.

1. Jede fünfte Entscheidung für einen neuen Mitarbeiter stellt sich als Fehlentscheidung heraus. Wie können Unternehmen Fehlbesetzungen minimieren?

Jede fünfte? Ich glaube, dass die Dunkelziffer höher liegt. Wer gibt schon gern einen Fehlgriff zu? Eine wesentliche Ursache sehe ich in einer unzureichenden Beschreibung notwendiger persönlicher Kompetenzen für die vakante Stelle. Die Hard Skills sind klar umrissen, bei den Soft Skills finden Sie oft die „üblichen Verdächtigen“: kommunikationsstark, kreativ, flexibel, teamfähig, eigenverantwortlich, selbstständig, ergebnisorientiert. Oft sogar alle zusammen. Kompetenzmodelle, wie z. B. das des Reflector Big Five Personality, können bei einer aussagekräftigen Stellenbeschreibung helfen und die Trefferquote in der Bewerberauswahl deutlich erhöhen. Von den Unternehmen fordert das Mut zur spitzen Formulierung und Abschied von massentauglichen Textbausteinen. Das bringt vielleicht weniger, dafür aber passendere Bewerber. Wir finden nur das, was wir suchen.

2. Wie können Vorgesetzte ihre Mitarbeiter im Arbeitsalltag fördern?

Indem sie ihren Mitarbeitern Verantwortung übergeben und sie an Aufgaben wachsen lassen. Indem sie unterstützen, wo Unterstützung nötig ist. Indem sie Fehler zulassen und konstruktives Feedback geben. Und indem sie Rahmenbedingungen schaffen, in denen die Mitarbeiter das gern tun, was das Unternehmen erwartet und der Zielerreichung dient.

3. Inwieweit überschneiden sich Personalentwicklung und Persönlichkeitsentwicklung?

Im schlechtesten Fall sind beide kontraproduktiv, im besten Fall befördern sie sich gegenseitig ‒ sowie alle Facetten dazwischen. Besonders erfolgreiche individuelle Personalentwicklungsmaßnahmen setzen da an, wo sie mit einer angestrebten und möglichen Persönlichkeitsentwicklung des Mitarbeiters im Einklang stehen.

4. Halten Sie Personalentwicklungsmaßnahmen am Arbeitsplatz oder weit weg vom Arbeitsumfeld für sinnvoller?

Es geht nicht um entweder oder, sondern um sowohl als auch. Beide Formen haben ihre Berechtigung und sind in bestimmten Situationen mehr oder weniger sinnvoll. Soll Neues gelernt oder entwickelt werden, kann eine räumliche Trennung vom Arbeitsumfeld förderlich sein. Ein Coaching im Job bedingt das gewohnte Umfeld geradezu.

5. Welche Schwierigkeiten gibt es bei Personalentwicklungsmaßnahmen?

Keine unbeherrschbaren. Als größte Herausforderung in der operativen Umsetzung sehe ich den dauerhaften Transfer der Ergebnisse in die tägliche Praxis. Der gelingt bei langfristigen Konzepten besser als bei punktuellen Maßnahmen, die aus einem akuten Manko resultieren. Wie bei der Feuerwehr: Um langfristigen Brandschutz kann die sich nur dann kümmern, wenn nirgends Flammen lodern.

Geht es um die grundsätzliche Berechtigung von PE-Maßnahmen, finde ich einen kürzlich gelesenen fiktiven Dialog von Peter Baeklund sehr treffend:
CFO asks CEO: „What happens if we invest in developing our people and then they leave us?“
CEO: „What happens if we don’t, and they stay?“

5 Fragen an: Oliver Lilie

Oliver Lilie ist geschäftsführender Gesellschafter der MA&T Organisationsentwicklung GmbH. Sein Spezialgebiet ist das strategische Personalmanagement. Er berät mittelständische Unternehmen bei der Gestaltung der Personalarbeit. Oliver Lilie ist über Perwiss.de erreichbar.

1. Was macht ein Unternehmen für Bewerbende attraktiv?

Diese Frage ist pauschal schwer zu beantworten. Insbesondere in Abhängigkeit von Lebensalter und Lebensphase können ganz unterschiedliche Faktoren ein Unternehmen attraktiv, also „anziehend“, für Bewerbende machen.

Konzentriert man sich auf Nachwuchskräfte so ist als Hauptattraktivitätsfaktor aus Sicht der sogenannten ‚Generation Y‘ vor allem eine herausfordernde und interessante Arbeitsaufgabe zu nennen. Das Erproben des Erlernten und das Erweitern des persönlichen Horizonts, z. B. durch Auslandsaufenthalte sind den sogenannten ‚Millennials‘ wichtig. Das Finanzielle spielt nicht die Hauptrolle, sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Von hoher Bedeutung für Neueinsteiger/innen und jüngere Fachkräfte ist ein passender Unternehmensstandort. Hier steht weniger die gute Erreichbarkeit, sondern vielmehr das Angebot an Freizeit- und Kulturmöglichkeiten im Interesse von Bewerbenden. Für viele Nachwuchskräfte ist auch die Reputation, also ein „guter Ruf“, des Unternehmens von hoher Bedeutung. Nicht fehlen sollten bei einem attraktiven Arbeitgeber gute Entwicklungsmöglichkeiten. Diese müssen nicht immer unbedingt den Weg auf der Karriereleiter „nach oben“ beschreiben. Hier denken viele Unternehmen zu eindimensional. Auch die Möglichkeit des Einschlagens einer Experten- oder Projektlaufbahn ist für Nachwuchskräfte eine durchaus interessante Option.

2. Welche Recruiting-Maßnahmen eignen sich für Unternehmen um erfahrene Bewerber/innen auf sich aufmerksam zu machen?

Das mögliche Portfolio an Recruiting-Maßnahmen ist groß. Entscheidend dafür, welche Recruiting-Maßnahmen ergriffen werden, ist neben dem zur Verfügung stehenden Budget vor allem die gesuchte Zielgruppe. Ein „Muss“ ist heutzutage aus meiner Sicht eine aussagefähige Stellenausschreibung auf der eigenen Webseite. Dies gilt für alle Zielgruppen! Besonders im Bereich der höher qualifizierten und erfahrenen Fachkräfte würde ich zur Nutzung von LinkedIn oder Xing raten. Beide Portale bieten die Möglichkeit, mit überschaubarem Aufwand und Kosteneinsatz auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen und qualitativ gute Bewerbende anzusprechen. Fast als „Königsweg“ könnte man die Gewinnung neuer Beschäftigter durch die Weiterempfehlung der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezeichnen.

3. Welche Recruiting-Maßnahmen sprechen besonders junge Hochschulabsolventen/innen an?

Hochschulabsolventen/innen sind in der Regel sehr IT-affin. Insofern sind sämtliche E-Recruiting Werkzeuge interessant. Jedoch sollten die Face-to-Face-Kommunikation nicht aus den Augen verloren werden. So empfiehlt sich der Aufbau einer Zusammenarbeit mit einer möglichst regionalen Hochschule oder Fachhochschule, insofern dort passfähige Studiengänge angeboten werden. Dies ermöglicht zielgerichtet die langfristige Rekrutierung. Praktika und praxisnahe Studienarbeiten bieten die Chance des gegenseitigen „Beschnupperns“ und reduzieren die Gefahr einer frühzeitigen Fluktuation nach einer Einstellung erheblich.

4. Wie sollten Unternehmen auf den demographischen Wandel reagieren?

Unternehmen sollten zunächst ihren aktuellen Handlungsbedarf bzgl. des Themas „Demografischer Wandel“ überprüfen. Ein unumgängliches Werkzeug dafür ist eine systematisch ausgewertete Altersstrukturanalyse, welchen in regelmäßigem Zyklus wiederholt wird. Diese deckt in der Regel die wichtigsten Handlungsfelder auf. Ebenso sollte mittels geeigneter Werkzeuge ein „Blick in die Zukunft“ geworfen werden. Dies wiederum wird weitere Handlungsfelder zutage bringen. Auf Basis dieser Betrachtungen kann ein für das Unternehmen passendes Handlungskonzept zur Reaktion auf die unternehmensspezifischen Auswirkungen des demografischen Wandels erarbeitet und umgesetzt werden.

5. Welche Aspekte halten Sie für die Hauptmotivatoren für Arbeitnehmer/innen im Job?

Der wichtigste Motivationsfaktor aus meiner Erfahrung ist ein gutes Betriebsklima. Dies belegen auch sehr viele Studien. Auf das Betriebsklima wiederum haben die Führungskräfte aller Hierarchieebenen des Unternehmens maßgeblichen Einfluss. Denn gute Führung bringt in der Regel auch ein besseres Betriebsergebnis. Der Kern der Arbeitsmotivation ist schlussendlich immer in der Arbeitsaufgabe selbst verortet. Wenn die zu erfüllenden Aufgaben in Art und Umfang zu den Interessen und Vorlieben eines/r Beschäftigten passen, wird die Arbeit mit großer Wahrscheinlichkeit motiviert angegangen.

5 Fragen an Susanne Böhlich

Prof. Dr. Susanne Böhlich lehrt an der Internationalen Hochschule Bad Honnef – Bonn International Management mit einem Schwerpunkt im Human Resources Management, Marketing und Projektmanagement.
Prof. Böhlich hat lange Jahre im internationalen Management gearbeitet. Zuletzt war sie als Director HR Marketing and Graduate Development bei der Deutschen Post DHL für das weltweite Personalmarketing verantwortlich. Davor war Prof. Böhlich Partner bei der Inhouse Consulting, der weltweiten internen Top-Management Beratung der Deutschen Post World Net. Sie war federführend beim Aufbau des Inhouse Consulting zur zweitgrößten internen Unternehmensberatung in Europa. Sie verantwortete Projekte in Europa, den USA und Asien. Weitere internationale Erfahrung sammelte sie bei Clearstream International in Luxemburg und bei McKinsey & Company. Prof. Böhlich publiziert regelmäßig in Fachzeitschriften zu Themen des Personalmarketings. Sie hält Vorträge und moderiert Konferenzen und Symposien, nimmt an Podiumsdiskussionen teil und führt externe und interne Seminare sowie Workshops durch.

1. Was ist Guerilla Recruiting?

Um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, muss sich ein Arbeitgeber heute aus der breiten Masse hervorheben und auf sein Unternehmen aufmerksam machen. Guerilla Recruiting ist eine Möglichkeit für Unternehmen, kreativ und originell Bewerber anzusprechen und von ihrem Angebot zu überzeugen.

Charakteristisch für Guerilla Recruiting sind die folgenden vier Punkte:

  • Unkonventionell und provokativ, bisweilen sogar aggressiv
  • Überraschend, flexibel, spektakulär, die individuelle Aufmerksamkeit wird angesprochen
  • Kostengünstig, effektiv, ein geringer Mitteleinsatz führt zu einer großen Wirkung
  • die Verbreitung erfolgt auch durch resultierende Mundpropaganda, ist „ansteckend“

2. Gibt es Beispiele für, Ihrer Meinung nach, besonders gelungen Recruitingmaßnahmen und wie ist die Resonanz auf solch ein Recruitingverfahren?

Es gibt mittlerweile viele sehr gute Beispiele: Die Werbeagentur Farben + Formen entwickelte ein eigenes Jobportal „www.wirdallesbesser.com“ und nutzte zur Verbreitung Bierdeckel und Aktionskarten in angesagten Werbetreffs der Region. Auch parkten sie Anhänger ordnungsgemäß vor den Büros der Mitbewerber oder malten Schriftzüge auf die Bürgersteige, um auf das Jobportal zu verweisen. Mit provokativen Sprüchen wie „War spät gestern?“ oder „Da geh’ ich lieber putzen!“ sollten wechselwillige Werber auf das Angebot aufmerksam gemacht werden.

Ein anderes schönes Beispiel kommt von der Hamburger Agentur Scholz & Friends. Sie vereinbarte mit einem Pizza-Service die „Pizza Digitale“. Der Pizza Service lieferte vier Wochen lang bei jeder Bestellung von einer anderen Kreativagentur die „Pizza Digitale“ kostenlos mit, eine normale Pizza, die mit Tomatensauce in Form eines QR-Codes belegt war. Scannte jemand den QR-Code mit seinem Smartphone ein, landete er direkt auf der Recruiting Webseite von Scholz & Friends.

Aber Guerilla Recruiting funktioniert nicht nur in der Werbebranche. So kamen Unternehmen auf die Idee, 1€ an Mitbewerber zu überweisen, mit dem Text in der Überweisung „wir suchen Buchhalter, die genauer hinsehen“. Supreme Security suchte Sicherheitspersonal an Flughäfen. Metallplatten wurden bei Reisenden in das Handgepäck gesteckt, so dass beim Security Check der Schriftzug „Gelangweilt? Bewerben Sie sich bei uns“ auf den Bildschirmen sichtbar wurde.

Wenn eine Kampagne gut geplant und auf die Zielgruppe zugeschnitten ist, ist sie auch sehr erfolgreich. Von der genannten Kampagne von „Farben + Formen“ wird berichtet, dass sie mit einem Aufwand von 9000€ die offenen neun Stellen besetzen konnten. Oft geht es aber auch noch deutlich günstiger, z.B. bei den 1€ Überweisungen. Zumal viele Unternehmen den einen Euro zurücküberwiesen haben…

3. Warum wird neben dem „klassischen“ Recruiting auf diese Variante zurückgegriffen?

Guerilla Recruiting kann zum einen als Ergänzung zu klassischen Maßnahmen genutzt werden. Dabei wollen Unternehmen neue Wege gehen oder sich ein jüngeres und dynamischeres Image geben. Zum anderen kann es von kleineren und mittelständischen Unternehmen genutzt werden, die mit einem geringen Budget eine große Wirkung erzielen wollen oder die unbekannt sind und Aufmerksamkeit erzielen müssen.

4. Birgt Guerilla Recruiting irgendwelche Gefahren oder Hindernisse?

Jede Guerilla Recruiting Kampagne birgt natürlich auch Unwägbarkeiten.

Gerade bei Großunternehmen ist die Akzeptanz intern oft begrenzt, wirken die Maßnahmen doch bewusst nicht seriös sondern sind eher provokativ und balancieren manchmal auf einem schmalen Grat zwischen Originalität und Geschmacklosigkeit.

Bei erfolgreichen viralen Maßnahmen besteht auch das Risiko, dass das eigentliche Ziel der Kampagne, die (Employer) Brand bekannt zu machen und zu neue Mitarbeiter zu gewinnen, in den Hintergrund tritt und sich die Kampagne – losgelöst von der Marke – verselbständigt. Im Marketingbereich ist das „Moorhuhn“ ein Beispiel – die Kampagne ist bekannt, die dahinterliegende Marke damit nicht mehr verbunden.

Manche Methoden sind rechtlich bedenklich oder entsprechen nicht den moralischen Grundsätzen des Unternehmens. Auch können Botschaften verzerrt und mit einer anderen Bedeutung weitergeleitet werden, die nicht der Intention des Unternehmens entspricht. So wurde ein humorvoller Film des Borussia Dortmund Sponsors Evonik in einer Form verfremdet, der mit dem Jugendschutz in Konflikt kam.

Je mehr Guerilla Recruiting eingesetzt wird, desto mehr kommt es auch hierbei zu einer Reizüberflutung. Wenn alle Werbeagenturen eine digitale Pizza versenden, verliert sie ihre Wirkung.

5. Was würden Sie einem Unternehmen empfehlen, dass Guerilla Recruiting nutzen will?

Auch wenn Guerilla Recruiting sehr spontan wirkt, erfordert es eine detaillierte Planung – wie jede andere (Personal)Marketingmaßnahme auch. Das Unternehmen sollte schon genau analysieren, wer ist meine Zielgruppe und wie erreiche ich sie? Dann muss ein wirklich kreatives und originelles Konzept her. Ein simples Kopieren bekannter Maßnahmen wird erfolglos bleiben.

Und auch noch ganz wichtig: die Maßnahme muss zum Unternehmen passen. Durch eine pfiffige Maßnahme sich als junges und dynamisches Unternehmen zu präsentieren, dann aber einen bürokratischen und langsamen Rekrutierungsprozess zu haben – das passt nicht zusammen. Im Marketing gibt es die „Customer Experience“ – das Ziel, dass alle Kundenkontakte mit einem Unternehmen – vor, während und nach dem Kauf – ein positives Erlebnis sein sollen. Genauso gibt es eine „Candidate Experience“. Der Bewerber sollte nicht nur mit einer kreativen Maßnahme angesprochen werden, sondern auch danach soll es beim weiteren Kontakt zu positive Erlebnissen kommen – nur dann wird er das Unternehmen als authentisch wahrnehmen, sich für das Unternehmen entscheiden und dort auch bleiben.