5 Fragen an: Kirsten Brennemann

Kirsten Brennemann lebt und arbeitet seit 1995 in der Nähe von Zürich und war viele Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei einer Schweizer Großbank tätig. 2009 hat sie sich als Business Coach und Karriereberaterin selbständig gemacht. Fundament für ihre Tätigkeit sind einerseits ihre beruflichen und persönlichen Erfahrungen und andererseits diverse Coaching Aus- und Weiterbildungen.
Sie unterstützt hauptsächlich Menschen, denen es um persönliche Weiterentwicklung, Burnout-Prävention und Stressmanagement oder um berufliche Neuorientierung geht, insbesondere nach einem Burnout.

 

1. Was sind Ursachen dafür, dass sich immer mehr Arbeitnehmer durch Ihren Beruf gestresst fühlen?

Aus meiner Sicht ist der Druck in der Arbeitswelt in den letzten Jahren deutlich gestiegen: Es wird heutzutage sehr hohe Effizienz und Produktivität gefordert, die Informationsflut durch E-Mail und andere neue Medien überfordert viele Arbeitnehmer und gleichzeitig ist die Arbeitsplatzsicherheit in vielen Berufsgruppen gesunken.

 2. Was sind typische Folgen von Stress?

Das lässt sich am besten erklären, indem wir einen Blick zurück auf unsere Entwicklungsgeschichte werfen: Früher waren wir sehr häufig mit lebensbedrohlichen Situationen konfrontiert. Wurden wir beispielsweise von einem Bär verfolgt, so war unser Körper sofort durch Stresshormone zu Höchstleistungen bereit: u.a. wurde das Denken reduziert (damit wir nicht lange überlegten, ob wir fliehen sollten), das Blut verdickte sich (für den Verletzungsfall), der Puls ging hoch, die Muskeln wurden angespannt, kurz: wir waren bereit zu kämpfen und zu fliehen. Ein Mechanismus, der für uns überlebenswichtig war.
Auch heute ist dieser Mechanismus für uns noch wichtig, wenn wir in lebensbedrohliche Situationen geraten, sei es durch einen Gefahrenmoment im Straßenverkehr, eine Bedrohung durch einen Angreifer etc. Wir können blitzschnell reagieren.
Damals wie heute normalisieren sich nach so einem Stress-Ereignis alle Körperfunktionen wieder: Der Hormonhaushalt, der die Stressreaktionen steuert, kommt durch die körperliche Aktivität in Form von Flucht oder Kampf und durch eine nachfolgende Ruhephase wieder in seine normale Balance.

 3. Wann wird Stress gefährlich – physisch und psychisch?

Wie schon zuvor erwähnt, ist Stress an sich völlig normal und ungefährlich. Heute kommen wir zwar nur noch selten in lebensbedrohliche Situationen, aber das Problem ist, dass Druck und Stress im Beruf immer noch dieselben Reaktionen im Körper auslösen können, wie der Bär vor hunderten von Jahren. Wie sehr wir Stress empfinden ist dabei sehr individuell.
Anders als damals fehlen uns aber heute oftmals angemessene Ruhe- und Erholungsphasen sowie körperliche Aktivitäten. Unser Körper gerät dadurch in Dauerstress, eine Belastung, die in dieser Form von der Natur nicht vorgesehen ist. Dies kann auch durch ständige Angst wie z.B. die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zusätzlich geschürt werden.
Die gefährlichen Folgen von langanhaltenden Stressphasen: der Hormonhaushalt kann nachhaltig aus der Balance geraten und dies kann zu physischen und/oder psychischen Störungen führen. Beispiele: Gedächtnis- und Schlafprobleme, psychosomatische Störungen wie Rückenprobleme (auch Bandscheibenvorfall), erhöhte Infektionsanfälligkeit, Aggressivität und depressive Verstimmung. Im fortgeschrittenen Stadium neigen sehr gestresste Menschen außerdem dazu (noch) mehr zu arbeiten, da sie versuchen ihre nachlassende Produktivität zu kompensieren. Und dann beginnt ein Teufelskreislauf.

4. Ich fühle mich überfordert, gestresst und denke den aktuellen Anforderungen meines Berufes nicht mehr lange standhalten zu können – Wie spreche ich ein solches Problem meinem Vorgesetzen gegenüber am besten an?

Solange Sie nur erste Anzeichen spüren, macht es Sinn, dass Sie Ihre Arbeitslast mit dem Vorgesetzten anschauen: Fragen Sie, welche Tätigkeiten Sie priorisieren sollen, was verschoben werden kann suchen Sie nach Möglichkeiten Arbeiten zu delegieren. Klären Sie genau ab, was Ihr Vorgesetzter von Ihnen tatsächlich erwartet. Gerade Burnout-gefährdete Personen neigen oftmals dazu, mehr zu liefern, als tatsächlich von Ihnen erwartet wird.
Sind Sie schon im fortgeschrittenen Stadium so empfehle ich zunächst ein Beratungsgespräch mit einer Fachperson (Hausarzt, Psychologe, Coach) über das individuelle Vorgehen, auch was das Gespräch mit dem Chef angeht. Sollte die Beratung unbefriedigend sein, ist eine Zweitmeinung sinnvoll.
Nur wenn wirklich ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zum Vorgesetzten besteht, würde ich ihn in dieser Phase direkt und offen ansprechen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Ihnen die Stärke, dass Sie Ihre Grenzen kennen und anerkennen, schnell mal als Versagen oder Schwäche ausgelegt wird und Sie sich damit ins berufliche Abseits bringen.

 5. Was kann man im Alltag tun um Stress zu reduzieren?

 Es ist wichtig, den Stresspegel im Körper durch Ruhephasen, Auszeiten und durch Bewegung zu reduzieren. Am besten eignet sich dafür natürlich die Freizeit. Aber man kann beispielsweise auch Pausen für einen Spaziergang ums Bürogebäude nutzen. Kontraproduktiv ist es hingegen, die Mittagspause ganz ausfallen zu lassen. Darüber hinaus sollte man versuchen Druck und äußere Stressauslöser  zu reduzieren: z.B.  lernen „Nein“ zu sagen, Aufgaben delegieren und die tatsächliche Erwartung des Chefs klären.
Um den hausgemachten Stress zu reduzieren, hilft es, den eigenen Perfektionismus und die eigenen „Glaubensätze“ die uns zu Höchstleistungen antreiben, zu hinterfragen. Typische Beispiele für solche Glaubenssätze: “Ich muss alles alleine schaffen“, „Ich werde nur anerkannt, wenn ich hart arbeite“ oder „Ohne Fleiß kein Preis“. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber es lohnt sich, der Gesundheit zuliebe daran zu arbeiten, denn die langfristigen gesundheitlichen Schäden durch Dauerstress können immens sein.

5 Fragen an: Ivan Blatter

Ivan Blatter ist Produktivitätstrainer und hilft seinen Kunden, ihre Ziele schneller zu erreichen. Dazu bietet er Seminare und verschiedene Online-Produkte an.
Seit ein paar Jahren betreibt er einen Blog rund um das Thema Zeitmanagement, in dem er regelmässig Tipps und Hinweise gibt, wie Sie produktiver arbeiten können.

 

1. Wie wichtig sind to-do-Listen für den Arbeitsalltag?

Grundsätzlich helfen To-do-Listen, den Überblick zu wahren und nichts zu vergessen. Das ist die positive, wichtige Seite. Aber sie haben auch einen Nachteil: Sie werden nie kürzer. Das kann sehr demotivierend sein und schnurstracks zu Aufschieberitis führen.
Eine moderne To-do-liste muss deshalb neue Funktionen erfüllen können. Primär muss sie garantieren, nichts Wichtiges zu vergessen. Vollständigkeit kommt in dieser Formel nicht vor.
Der Kunde, der ein Angebot will, wird innerhalb der nächsten 1-2 Tage bedient. Statt diese Aufgabe auf eine unendliche Liste zu nehmen und dann doch zu übersehen, fange ich lieber jetzt damit an.
Nur diejenigen Dinge, die ich tendenziell vergesse, die ich in den nächsten Tagen nicht erledigen kann oder die einen Termin haben, schreibe ich auf die Aufgabenliste.

2. Besonders zum Jahreswechsel sind viele Arbeitnehmer im Stress – Wie schaffe ich es in dieser Zeit Wichtiges von Unwichtigem zu trennen?

Wie zu jeder anderen Zeit auch: Antizyklisches Verhalten. Je größer der Stress, desto wichtiger ist es, sich zuerst zurückzulehnen, durchzuatmen und in aller Ruhe (!) zu überlegen, was wirklich wichtig ist, was dringend ist und was warten kann.
Sobald man das hat, kommt eine der Kardinaltugenden im Zeitmanagement zum Zuge: „Nein“ sagen. Das geht tatsächlich – auch gegenüber dem Chef oder dem Kunden. Allerdings nicht ständig und mit Fingerspitzengefühl. Doch solange jemand  nicht „nein“ sagen kann, ist ein erfolgreiches Zeitmanagement fast unmöglich.

3. Chaot oder Ordnungsfetischist, Deadline-Ausreizer oder Überpünktlicher – Wer arbeitet am effektivsten?

Alle vier. Ich bin sehr davon überzeugt, dass es nicht die eine richtige Lösung für alle gibt. So wird es der Chaot niemals schaffen, zu einem sehr ordentlichen Menschen zu werden. Trotzdem kann er effektiv arbeiten. Nur: Das Risiko, dass der Chaot etwas vergisst oder übersieht, ist größer als beim Ordnungsfetischisten.
Genauso beim Deadline-Ausreizer: Auch der kann effektiv arbeiten. Vielleicht nicht stressfrei, aber effektiv. Doch auch hier ist die Gefahr groß, dass plötzlich etwas Unvorhergesehenes dazwischen kommt und die Deadline nicht ausgereizt wird, sondern überzogen. Diese Gefahr kennt der Überpünktliche nicht.
Was heißt das nun? Alle vier können effektiv arbeiten. Der Chaot und der Deadline-Ausreizer werden vermutlich mehr im Stress sein und tragen ein größeres Risiko, dass es nicht klappt.

4. Was können Arbeitnehmer tun, wenn ihr Chef jegliches Zeitmanagement durch verworfene Deadlines und plötzliche Aufgabenblitze zerstört?

Das ist ein schwieriges Problem, eigentlich ein Führungsproblem. Gute Chefs sorgen ja dafür, dass ihre Mitarbeiter gut und effizient arbeiten können.
Man kann das höchstens durch gute Organisation auffangen: Tragen Sie beispielsweise immer etwas zu schreiben bei sich, damit Sie bei Einfällen des Chefs und Spontan-Sitzungen auf dem Flur gewappnet sind.
Trotzdem ist das nur ein Trostpflaster. Die einzige richtige Antwort mag nicht befriedigen und ist auch nicht ganz einfach, aber hier kommt man um ein Gespräch mit dem Chef nicht herum. Einiges mag man durch gute Organisation auffangen, doch wirklich helfen tut nur ein Gespräch.

5. Wenn doch alles wichtig und dringend ist – Wie lautet Ihr Geheimrezept gegen Stress?

Auch hier wieder: Antizyklisches Verhalten. Je mehr Stress, desto wichtiger sind Pausen, Erholung und ruhiges Arbeiten.
Natürlich helfen die üblichen Verdächtigen: Gesunde Ernährung, genug Schlaf, Bewegung/Sport als Ausgleich. Doch genauso wichtig ist die eigene Haltung. Wer meint, bei großem Stress könne er Pausen weglassen, um Zeit zu sparen, steuert in eine Sackgasse und in die Erschöpfung. Gerade dann ist es wichtig, sich auch tagsüber zu erholen, damit die Energie bis abends reicht. Genauso bei Hektik: Niemand bestimmt, dass ich da mitmachen muss. Im Gegenteil: Ein ruhender Pol, der auch mal sagt „Wie ist das jetzt ganz genau?“ wird sehr geschätzt.