Gut gemeinte Ratschläge
Es ist nur normal, dass aus dem familiären Umfeld Ratschläge kommen, die sich um Bekanntes drehen: Werde doch Kfz-Mechaniker/Anwalt/Lehrer wie deine Eltern – da weißt du, was du hast. Und gegebenenfalls kannst du direkt einen Familienbetrieb übernehmen.
Da spielen natürlich die Wünsche derjenigen hinein, die wollen, dass es dir gut geht und dabei manchmal das Naheliegendste übersehen: Vielleicht interessierst du dich nicht besonders für Autos, würdest einen Gerichtssaal nur unter Zwang betreten oder fühlst dich extrem unwohl, wenn du vor Menschen sprechen sollst. Dann würden diese Wunschjobs deiner Lieben als Beruf nicht zu dir passen.
Der Berufsberater ist nicht unfehlbar
Bist du mit der Schule oder auch allein schon einmal in der Agentur für Arbeit gewesen? Dann hast du sicher mit einem Berufsberater gesprochen. Gerade, wenn große Schülergruppen dort ankommen, gibt es wenig Zeit für Einzelgespräche. In solchen Fällen empfiehlt der Berufsberater meist einige Stellen, bei denen aktuell Bedarf besteht.
Auf die tatsächlichen Vorlieben und Talente der Einzelnen kann er gar nicht eingehen. Leider ist das auch häufig der Fall, wenn du dir einen Einzeltermin geben lässt. Du machst einen Test, und die Auswertung kann dich durchaus überraschen. Dann bekommst du eine oder mehrere Empfehlungen. Was du daraus machst, bleibt dir überlassen.
Sagen Tests mir, welcher Beruf der richtige ist?
Eine kurze Anfrage im Internet reicht aus, und du wirst quasi überschwemmt mit Tests, die dir den richtigen Beruf zeigen sollen. Sie sind mal mehr, mal weniger seriös, und oft greifen sie einfach zu kurz. Die meisten von ihnen arbeiten mit Multiple-Choice-Fragen, und die Antworten sind häufig unbefriedigend. Es kann vorkommen, dass du dich zwischen zwei Optionen nicht entscheiden kannst, weil die Wahrheit genau in der Mitte liegt.
Schließlich wählst du etwas aus, das nur halb wahr ist, und schon ist das Ergebnis verfälscht. Die Auswertungen lassen auch zu wünschen übrig, da die passende Antwort auf den Talent- und Interessenmix eingehen würde, den du gezeigt hast. Tatsächlich aber wird nur der Themenbereich gewertet, der am häufigsten aus deinen Antworten herausklang.
Diese Tests sind also eine viel zu simple Schwarz-Weiß-Malerei. Wenn du trotzdem daran interessiert bist, solltest du möglichst viele von ihnen durchspielen. Online findest du sie in großer Zahl.
Einzeln können sie sehr stark danebenliegen, aber wenn du viele machst, zeichnet sich vielleicht ein Umriss ab. Bescheinigt dir Test um Test, dass du ein außerordentliches Organisationstalent hast, kannst du nachprüfen, ob das vielleicht wahr ist. Dafür musst du dich mit dir selbst auseinandersetzen.
Nur du weißt, was passt
Du selbst bist die einzige Person, die wirklich herausfinden kann, welcher Job dich ausfüllen wird. Dafür musst du zunächst dein Talent entdecken. Die meisten Schüler wissen bereits, was ihnen leichtfällt, wenn sie die Schule abschließen. Manche sind sich noch unsicher. Stell dir die Frage, was dir stets zugefallen ist, ohne dass du dich anstrengen musstest. Das kann ein Schulfach sein, aber auch etwas ganz Anderes: Bist du gut darin, auf Leute zuzugehen? Lieben Kinder dich und vertrauen dir vom Fleck weg? Konntest du nie verstehen, warum Menschen defekte Geräte wegwerfen, wo die Reparatur doch so kinderleicht ist? Gehorcht dein Körper dir aufs Wort? Ist Musik deine Sprache? Manche Menschen entdecken ihr Talent nur deshalb nicht, weil es ihnen als selbstverständlich erscheint.
Hast du herausgefunden, worin du von Natur aus gut bist, dann solltest du dich deinen Interessen zuwenden. Worüber liest du gern oder schaust dir Dokumentationen an? Welche Fächer waren für dich in der Schule interessant? Worüber sprichst du gern mit anderen Menschen? Hast du schon einmal ein Projekt oder eine Freizeitbeschäftigung gehabt, wobei die Zeit wie im Flug vergangen ist und du dich immer abends schon auf den nächsten Tag gefreut hast, an dem du weitermachen konntest?
Talent und Interesse verbinden
Hast du diese beiden Fragen für dich beantwortet, bis du dem Beruf, der zu dir passt, schon ein ganzes Stück nähergekommen. Such ruhig im Internet nach passenden Ausbildungsplätzen oder Studienrichtungen. Du kannst dich aber auch in Expertenhände begeben, indem du einen unabhängigen Berufsberater aufsuchst.
Oft handelt es sich hierbei um Geisteswissenschaftler, manche von ihnen mit einem pädagogischen Hintergrund, die sich spezialisiert haben. Sie kennen viele ausgefallene Jobs und haben kein Interesse daran, dich in eine Form zu pressen, die dir nicht passt. Gegenteilig nehmen sie sich viel Zeit, um mit dir deine Wünsche und Träume zu besprechen.
Häufige Fehler bei der Berufswahl
Bist du unsicher, welcher Beruf der richtige für dich ist, kannst du leicht die gängigsten Fehler machen. Dazu gehört zum Beispiel, dass du dich nach Gehaltschancen entscheidest oder beschließt, in einer besonders zukunftsträchtigen Branche zu lernen, obwohl du dich nicht besonders dafür interessierst. Natürlich wäre es schön, in einem langfristig gesicherten Job gut zu verdienen.
Fährst du aber jeden Morgen mit Bauchschmerzen zur Arbeit, sind das keine Vorteile mehr. Im Gegenteil: Wenn dein Job dir Stress bereitet und dich belastet, kannst du auf die Dauer ernstlich krank werden.
Von Shakespeare lernen
In der Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ schreibt Shakespeare: „Was Ihr nicht tut mit Lust, gedeiht Euch nicht. Kurz, studiert, was Ihr am meisten liebt!“ Das solltest du dir als Leitfaden nehmen, wenn du nach dem richtigen Beruf suchst. Ob du mit Menschen oder Tieren, mit Werkzeugen oder Zahlen, mit Wörtern, Farben, Stoffen oder Messgeräten arbeiten möchtest: Folge deinen Neigungen.
Ob du hinter deinem Schreibtisch oder auf einem Forschungsschiff im Polarkreis glücklich wirst, kann niemand außer dir wissen. Lass dir daher am besten von niemanden in deinen Suchprozess hineinreden: Du selbst musst schließlich mit dem Beruf klarkommen. Später kannst du natürlich immer noch umsatteln, wenn du dich zunächst falsch entscheidest. Ein Beruf aber, der dir von Anfang an Freude bereitet, macht dich auch zu einem glücklicheren Menschen.
Fünf Fragen die dir bei der Berufswahl weiterhelfen
1. Wo liegen deine Stärken?
Egal ob praktisch oder theoretisch orientiert: Wer bei der Studien- und Berufsorientierung seine Stärken kennt, ist klar im Vorteil. Die besten Orientierungshilfen hierbei sind Hobbys und Interessen. Wie gestaltest du deine Freizeit? Bei welchen Themen ist sofort deine Begeisterung entdeckt? Bei welchen Schulfächern bist du mit Aufmerksamkeit dabei? Ein aussagekräftiges Stärkenprofil sticht beim Bewerbungsverfahren aus der Masse hervor.
2. Was sind deine Wünsche?
Verantwortung übernehmen, kreativ arbeiten oder viel Geld verdienen? Auch, wenn der tatsächliche Berufseinstieg beispielsweise bei der Entscheidung für ein Studium noch weit weg scheint: Schon jetzt solltest du dir bewusst sein, was in Zukunft für dich im Vordergrund stehen soll. Möchtest du lieber garantiert pünktlich Feierabend haben oder die große Karriere als Workaholic machen? Ist es dir wichtig in deiner Heimatstadt zu bleiben oder zieht es dich in die weite Welt? Finde heraus, was dir liegt, leicht fällt und besonderen Spaß macht.
3. Welche Strategie hast du?
Brauchst du für dein Berufsziel eine Ausbildung oder ein Studium? Passt ein Uni- oder FH-Studium zu dir? Beide Möglichkeiten bringen jeweils Vor- und Nachteile. In der Ausbildung kannst du beispielsweise praktisch arbeiten und von Anfang an dein eigenes Geld verdienen. Im Studium steht hingegen der Ausbau deines theoretischen Wissens im Vordergrund. Finde hierfür am besten zunächst heraus, welcher Lerntyp du bist.
4. Wie sieht die Praxis aus?
Ein Praktikum oder eine Nebenjob-Erfahrung bringt dich deiner Entscheidung ein Stück näher und klärt Fragen, wie man in einer Berufsbranche Fuß fassen kann, was man dort verdient, und wie der Arbeitsalltag aussieht. Vor allem der Arbeitsalltag zeigt dir dann noch mal, ob sich hinter dem Titel des Jobs wirklich das verbirgt, was du damit assoziierst. Wichtig aber auch: Lass dich nicht zu schnell demotivieren! Nur weil im ersten Praktikum das Verhältnis zum Chef schwierig war, muss das nicht für die ganze Branche gelten. Versuche hier wirklich nur anhand der alltäglichen Aufgaben ein erstes Urteil zu fällen.
5. Wozu entscheidest du dich?
Eine Entscheidung hinauszögern bringt dich nicht weiter, denn der Zeitpunkt der absoluten Sicherheit kommt fast nie. Eine andere Situation ist es, wenn du wirklich noch gar keine Idee hast. Nach der Schule ein Jahr Auszeit zu nehmen und beispielsweise verschiedene Praktika in unterschiedlichen Branchen zu machen, ist auch eine Entscheidung und kein Leerlauf. Versuche nur, deine Zeit sinnvoll zu nutzen. Lerne, dich zu entscheiden und versuche treffende Argument zu finden, die dir helfen eine Bauchentscheidung zu treffen.