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Mythos Work-Life-Balance: Arbeit muss (keinen) Spaß machen

Arbeit muss Spaß machen, lautet das Credo der Generation Y. Doch muss sie das wirklich? Nur bedingt, überweisen Arbeitgeber ihren Angestellten doch für geleistete Arbeit am Monatsende ihr Gehalt, eine Kompensation. Und früher, ja, da war Feldarbeit auch kein Privatvergnügen. Jan Thomas Otte, Chefredakteur von „Karriere-Einsichten“ hat über den Sinn des Schuftens mit Dr. Ernst von Kimakowitz an der Business School in St. Gallen gesprochen…

Arbeit kann Spaß machen, muss sie aber nicht. „Wenn Spaß an der Arbeit den netten Zeitvertreib mit Kollegen meint, sind wir auf dem Holzweg“, erklärt Ernst von Kimakowitz. Wenn es aber darum geht, dass Arbeiten Freude macht, gehöre die Herausforderung ebenso dazu wie das gebührende Feiern danach.

Unternehmensberater nennen das gerne „Work hard, play harder“, vergessen dabei aber die notwendige Entspannung nach einer stressigen Projektphase. Manager sieht Ernst von Kimakowitz hier in der Pflicht, klare „Leitplanken“ für ihre Mitarbeiter zu bauen. Niemand könne permanent Gas geben, ohne dabei irgendwann die Kontrolle über das eigene Fahrzeug zu verlieren.

Was bedeutet das für die Work-Life-Balance? Was das ganze Drumherum angeht, rät Ernst von Kimakowitz guten Chefs und solchen, die das noch werden wollen: „Arbeitsplätze anbieten, an denen das Arbeiten an sich Spaß macht.“

Dafür liefert der Forscher zwei Gründe: Zuerst die Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber, einen unreflektierten „Frohndienst“ ähnlich wie im Mittelalter zu vermeiden, sei es doch „eine positive Errungenschaft, nicht etwa einen Rückschritt, dass wir uns heute darüber Gedanken machen können, wie wir Arbeit und Arbeitsplätze gestalten wollen“.

„Wenn ich den ganzen Tag körperlich arbeite, brauche ich auch mal einen gemütlichen Fernsehsessel.“

Beim Ausbalancieren vom „Work-Life“ sieht der Unternehmensethiker zunächst etwas ganz Natürliches, die Bewegung: „Wenn ich bei der Arbeit den ganzen Tag sitze, brauche ich Bewegung in der Freizeit.“ Das muss nicht gleich Leistungssport sein. Umgekehrt sagt Ernst von Kimakowitz: „Wenn ich den ganzen Tag körperlich arbeite, brauche ich auch mal einen gemütlichen Fernsehsessel.“

Hinzu kommt die Beziehung zu den Menschen um einen herum, wobei sich manche lieber zum Entspannen unters Volk mischen als andere. „Wenn ich den ganzen Tag alleine am Computer tippe, brauche ich in der Freizeit das Bierchen mit Freunden“, so Ernst von Kimakowitz. Dabei wünscht sich der Akademiker – wie im Eingangsbeispiel angedeutet – den „geringstmöglichen Grad an Intellektualität“. Das Abschalten vom Arbeitsmodus, in einem Wort auch Resilienz genannt, ist alles andere als leicht, aber wichtig – Freunde helfen dabei!

Neben Bewegung und Beziehungen geht es beim Ausbalancieren des Work-Life natürlich auch viel um unsere Art von Arbeit. In unserer hochspezialisierten, arbeitsteiligen Welt ist jeder von uns irgendwo und irgendwie ein Nischenexperte. Um nicht den Fachidiotenstempel aufgedrückt zu bekommen, empfiehlt Ernst von Kimakowitz allen Work-Life-Balance-Orientierten, sich regelmäßig folgende Schlagworte als Sinnfrage durch den Kopf gehen zu lassen: Erfüllung, Bestätigung, Herausforderung. Diese Dinge wollen wir alle erfahren, resümiert Ernst von Kimakowitz. „Je weniger wir das durch unsere Arbeit tun, desto mehr streben wir danach, sinnhafte Tätigkeiten außerhalb der Arbeit zu unternehmen.“

Schuftest du noch oder lebst du schon deine Arbeit?

Checklisten, in denen Prozente für das Verhältnis Hobby vs. Familie vs. Arbeitszeit vergeben werden, hält der Unternehmensethiker für Quatsch: „Wir sind alle verschieden.“ Ebenso kritisch sieht Ernst von Kimakowitz Ratschläge, mindestens eine Coaching-Stunde pro Monat zu nehmen, um seine Kariereziele zu erreichen.

Reflexionsphasen, die man mit sich selbst aushandelt oder, wenn möglich, im Kreise vertrauter Menschen bespricht, findet Ernst von Kimakowitz äußerst sinnvoll. Die Frage nach der Work-Life-Balance geht also über kurzfristige Meeting-Marathons hinaus. In diesem Sinne zum Schluss die Frage: Schuftest du noch oder lebst du schon deine Arbeit?

5 Fragen an: Iris Schöberl

Bis zu meinem Burn-Out im Jahr 2011 war ich als Rating-Spezialistin für die BayernLB tätig. Diese Tätigkeit hat mich letztlich in ein Burn-Out-Syndrom geführt, welches ich mit professioneller Hilfe nun (im Jahr 2014) erfolgreich überwunden habe. Ich habe gelernt, dass verantwortungsvolles Arbeiten und leistungsangetriebenes Leben auch Spass machen kann, wenn man die Rahmenbedingungen zu seinen Vorteilen ändert. Deshalb habe ich einen ersten Schritt getan und ein Buch über mein Thema Burn-Out („Leiden aus Leidenschaft“)  geschrieben. Ein weiterer Teil mit konkreten Hilfen ist in Arbeit und wird voraussichtlich im Herbst in den Buchhandel kommen.

1. Die Work-Life-Balance findet immer mehr Beachtung, Arbeitsbedingungen verbessern sich, moderne Technik macht flexible Arbeitszeiten möglich. Warum fühlen sich trotz dieser Entwicklung immer mehr Arbeitnehmer gestresst und überfordert?

In der Tat wird derzeit von vielen Unternehmen und arbeitnehmerfreundlichen Einrichtungen sowie der Politik die Verbesserung der Work-Life-Balance propagiert. Dennoch gibt es eine große Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Verbesserung und den tatsächlichen Gepflogenheiten in den Unternehmen. Durch den Trend zur ständigen mobilen Erreichbarkeit des Arbeitnehmers, von dem erwartet wird, dass er überall zu jeder Uhrzeit für seine Vorgesetzen erreichbar sein muss, wird die flexible Arbeitszeit ad absurdum geführt. Der Mitarbeiter ist nicht „freier“ geworden, sondern zum Sklaven der modernen Technik geworden. Die Umstellung auf die ständige Bereitschaft fordert zur Zeit hohen Tribut von Mensch und Wirtschaft.

2. Kurze Stressphase oder Gefahr des Burn Outs: Wie erkenne ich den Unterschied?

Burn-Out erkennt man an dem Zusammenspiel vieler einzelner Punkte über einen längeren Zeitraum

  • keine nachhaltige und vollständige Erholung nach Wochenenden und/oder Urlauben
  • ständige Gereiztheit
  • Zurückzug vom sozialen Leben
  • Ständige „unnatürliche“ Müdigkeit
  • Wunsch nach Beendigung der derzeit herrschenden Situation

Weitere Informationen hierzu lesen Sie bitte in meinem Buch: „Leiden aus Leidenschaft“ nach, welches ich im Kindle-Shop von Amazon veröffentlicht habe.

3. Wie wichtig sind Aspekte wie gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung um ein Burn Out vorzubeugen?

Generell ist gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung gut für den Menschen in jeder Lebenssituation. Alleine reichen diese Punkte sicher nicht aus, um eine Burn-Out zu verhindern. Dennoch unterstützen sie den Genesungsprozess, wenn man Burn-Out Syndrome aufzeigt.

4. Was kann ich außerdem tun, um mein Stresslevel am Arbeitsplatz zu verringern?

Sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten. Gehen Sie offensiv mit dem Thema um. Sie werden sehen, dass nicht nur Sie, sondern viele in Ihrem Umfeld ebenfalls an einer Überarbeitung und hohem Stress leiden. Sprechen Sie mit Ihrem Betriebsarzt. Möglicherweise haben Sie die Chance, gemeinsam mit Kollegen und Vorgesetzten das Klima in Ihrem Unternehmen zu ändern.

5. Wenn es schon zu spät ist: Ich fühle mich leer und ausgebrannt – Wie komme ich hier wieder raus?

Erste Schritte nach dem Erkennen sind:

  • gehen Sie zum Arzt Ihres Vertrauens!
  • Sprechen Sie die Situation an und bitten ihn um professionelle Hilfe!
  • Ihr Arzt wird Ihnen in der Regel medizinische Unterstützung bieten können, oder Sie an entsprechende Einrichtungen vermitteln.

Seien Sie sicher, dass wenn Sie den ersten Schritt in diese Richtung eingeschlagen haben, dann haben Sie bereits den schwersten Schritt getan. Denn die Erkenntnis, dass man in einem Burn-Out steckt und nicht mehr „funktioniert“ ist möglicherweise das Schwerste, was Sie bisher erlebt haben.

5 Fragen an: Sascha Schmidt

Sascha Schmidt ist ganzheitlicher Karriereberater und -coach. Den Schlüssel zur Vereinbarkeit von Karriere und Familie sieht er in dem Willen der Mütter und Väter, die es tun. Größtes Hindernis ist für ihn die fehlende familienfreundliche Führungskultur in Unternehmen.

Im Coaching stärkt und überprüft er den Willen der Eltern; als Personalberater unterstützt er Unternehmen auf den Weg zu mehr Familienfreundlichkeit im Führungsalltag.

 1. Warum wird die Herausforderung Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen immer größer?

Es gibt immer mehr Frauen und Männer, die dem klassischen Rollenverständnis nicht mehr entsprechen: Er macht als Ernährer Karriere und sie kümmert sich um Haushalt und Kinder. Mütter wollen nicht ihre berufliche Laufbahn opfern und Väter wollen nicht mehr abwesend sein. Auf der einen Seite fangen Arbeitgeber und Kommunen an, berufstätige Eltern zu unterstützen. Auf der anderen Seite ist in den Köpfen der Führungskräfte häufig kein Verständnis zu finden, wenn der Projektleiter in die Elternzeit geht. Sich als Arbeitgeber als „familienfreundlich“ zertifizieren zu lassen reicht nicht aus. Damit das kein Etikettenschwindel ist, sollte die Unternehmens- und Führungskultur entsprechend ausgerichtet sein. Da sind wir in sehr vielen Unternehmen noch meilenweit entfernt von. Hier liegt die große Herausforderung der Vereinbarkeit von Karriere und Familie!

2. Karriere und Kinder – Können Frauen dieser Anforderung langfristig gerecht werden?

Die Frage gilt genauso für Männer. Ich habe es selber erlebt und praktiziert: Double income – two kids geht! Und zwar auch wenn beide Elternteile Vollzeit als Führungskräfte arbeiten. Grundvoraussetzung ist, dass beide es wirklich wollen. Dann schaffen Sie es, sich in der Partnerschaft entsprechend zu unterstützen. Wer jedoch zum  Beispiel alleinerziehend ist, für den wird es schwierig werden, den Spagat zwischen Karriere und Kinder zu meistern.

3. In Zeiten von zunehmenden Burn-Out-Erkrankungen wird der Begriff Work-Live-Balance immer häufiger genutzt – Was genau verbirgt sich dahinter?

Ich mag den Begriff Work-Life-Balance nicht. Er nimmt eine künstliche Trennung von Arbeit und Freizeit vor. Ich spreche in meiner Karriereberatung von Life-Balance. Befinde ich mich mit meinem Tun – egal ob im Meeting oder auf dem Fußballplatz – im Einklang mit mir. Konkret: Macht mir Spaß, was ich gerade tue? Unser Arbeitsleben ist zentraler Bestandteil unseres täglichen Tuns. Wer in der Arbeit aus der Balance fällt, der möge prüfen, ob er den richtigen Job oder Arbeitgeber hat. Meine Faustformel hierfür lautet: Ein Tag pro Woche ohne Spaß im Job ist ok. Bei zwei Tagen sollten Sie an Veränderungen denken. Wie geht es Ihnen?

4. Wie bringen Arbeitnehmer ihre beruflichen und privaten Interessen in Einklang?

Ganz einfach, in dem Sie Entscheidungsträger in eigener Sache werden. Sie glauben gar nicht, welchen Unterschied es macht, zu sagen „Ich muss das tun“ oder „Ich will das tun“. Meine Coaching-Gesprächspartner lernen es, vom „Müssen“ ins „Wollen“ zu kommen. Dann sage ich nämlich nicht: „Heute muss das Fußballtraining meines Sohnes ausfallen, da ich die Präsentation fertig machen muss“ sonder „Ich will die Präsentation fertig machen; das ist wichtig für mich und meine Karriere und daher werde ich nicht zum Training gehen.“ Klingt für manche hart, zugleich sind Sie sich so bewusst, dass Sie die Verantwortung für ihr Handeln haben. Kinder lieben übrigens Eltern, die tatkräftig sind und sich nicht als Opfer von Umständen darstellen. Werden Sie also Führungskraft in Ihrem Leben, dann bekommen Sie private und berufliche Interessen in den Einklang – jeder für sich individuell.

5. Besonders nach der Elternzeit ist es für viele Arbeitnehmer schwierig, den Wiedereinstieg zu meistern – Worauf sollten Eltern hier bei der Jobsuche achten?

Die Wahl des richtigen Arbeitgebers ist entscheidend, ob der Wieder- oder Neueinstieg gelingt. Unterstützt eine Firma und der direkte Vorgesetzte das Comeback nach der Elternzeit oder merken Sie gleich, dass Sie zum Beispiel als Teilzeit-Führungskraft unerwünscht sind? Wenn hier nicht die Chemie stimmt, dann wird der Wiedereinstieg schwer. Zusätzlich gilt es darauf zu achten, wie familienfreundlich das Unternehmen in seinem Personalmanagement aufgestellt ist. Gibt es die Möglichkeit von flexiblen Arbeitszeiten, Home Office  und sonstiger Unterstützung?