„Ich bin ein Workaholic“ – Fluch oder Segen?

Die 60 Stundenwoche ist die Regel, immer online, zwei-drei Telefone bei der Hand, im Urlaub gern erreichbar; in Pausen netzwerken, Effizienz ist oberstes Gebot, in Meetings E-Mails lesen. So lautet der Steckbrief fĂŒr den Workaholic.

Ein Begriff des grauen Marktes

Der Begriff selbst wird abgeleitet von „work“ fĂŒr das Umfeld in dem er entstand und „alcoholism“ als Charakteristikum fĂŒr die Sucht und den Kontrollverlust. In der Alltagssprache wird der Begriff tendenziell nicht fĂŒr Kranke verwendet, sondern fĂŒr Menschen die zu viel arbeiten. Meist beschĂ€ftigt diese Tatsache auch eher das Umfeld, als den Betroffenen. Dieser fĂŒhlt sich normal, solange die KrĂ€fte mitspielen.

Auch wenn wir meist das Bild eines abgehetzten AnzugtrÀgers vor Augen haben kommt das PhÀnomen in allen Berufsgruppen, auch bei Studenten, Rentnern, Hausfrauen vor.

Und da es keine eigene Krankheitsklassifikation gibt, fehlen Statistiken, wie viele Menschen betroffen sind. Man geht von etwa 300.000 bis 400.000 und 14 % GefĂ€hrdeten aus. Zieht man die Zahlen fĂŒr Burnout hinzu, die ja hĂ€ufig Ergebnis von maßlosem Tun sind, kommt man laut Stressstudie 2013 der Technikerkrankenkasse auf 16 % MĂ€nner und 25 % Frauen. 43% der Deutschen fĂŒhlen sich im Job gestresst.

Falls Sie sich an dieser Stelle fragen, ob Sie nicht einfach Lust auf und an Leistung haben dĂŒrfen – selbstverstĂ€ndlich. Der feine kleine Unterschied zwischen Engagement und Workaholismus ist, dass der SuchtgefĂ€hrdete keinen Ausgleich hat, nicht auf sich achtet, sich nicht erholt.

Die AlltagsphÀnomene

Charakteristisch fĂŒr den Workaholic sind aus Sicht des Umfeldes:

  • Private Termine immer wieder vergessen oder gestrichen.
  • UnpĂŒnktlichkeit bei privaten aber auch geschĂ€ftlichen Verabredungen.
  • Es wird von Termin zu Termin gehetzt
  • Unaufmerksamkeit im GesprĂ€ch, weil die Gedanken bei anderen noch zu erledigenden Dingen sind.
  • Erschöpfung, sinkende LeistungsfĂ€higkeit und Gesundheitsprobleme.

Typisch fĂŒr den Workaholic ist aus dessen Perspektive

  • Immer mehr zu tun zu haben und sich immer mehr anzustrengen ohne befriedigende Ergebnisse.
  • Das GefĂŒhl, genauso mĂŒsse es sein, es ist richtig so zu leben.
  • Die falsche Annahme, alles unter Kontrolle zu haben und jederzeit anders arbeiten zu können.
  • Die Arbeit als Lieblingsort der SelbstbestĂ€tigung und des Wohlbefindens.
  • LeistungsfĂ€higkeit mit Alkohol, geistigen Aufputschmitteln oder/ und Schlaftabletten zu unterstĂŒtzen.
  • Unruhig zu werden, wenn es mal nichts zu tun gibt.

Die fĂŒnf grĂ¶ĂŸten Gefahren

Die HintergrĂŒnde sind vielfĂ€ltig und wie immer mĂŒssen persönliche Eigenschaften und ein entsprechendes Umfeld zusammen kommen. Leider gibt es heute einen gesellschaftlichen Konsens, der das „lustvolle Ausbrennen“ eher fördert als hemmt.

1. Leistung ist eine geförderte Sucht

Wer viel schafft ist viel wert ist das Credo unserer Zeit. Wir finden dank mobiler GerĂ€te kein Ende beim Arbeiten mehr, Überstunden nicht als solche empfunden, arbeiten wir einmal nicht, sind wir immer noch in stĂ€ndiger Betriebsamkeit, lesen E-Mails, joggen oder putzen.

2. Geht nicht gibt es nicht

Unsere Kultur der Selbstausbeutung ist nicht auf die Arbeit beschrĂ€nkt, sondern findet genauso im Privatleben statt. Wir leben in einer Welt, in der keiner den stĂ€ndig wachsenden AnsprĂŒchen mehr gerecht werden kann. Weil es zu viele und zu hohe in allen Lebensbereichen gleichzeitig sind.

3. Wir werden Àlter

Dies ist an sich keine Gefahr. Die Gefahr ist die jahrzehntelange SelbstĂŒberforderung. Wir sind also nicht unbedingt weniger belastbar, weil wir Ă€lter sind, sondern weil wir unsere Reserven aufgebraucht haben. Dies versuchen wir durch Anstrengung auszugleichen. Ein Teufelskreis.

4. Wir setzen die falschen PrioritÀten

Das Deutsche Institut fĂŒr Wirtschaftsforschung kommt zu dem Schluss, dass soziales Engagement und Beziehungsziele langfristig zufriedener machen als materielle und Karriereziele. Wir schuften uns kaputt fĂŒr Ziele, die uns krank und nicht einmal glĂŒcklich machen

5. Es gibt kein „geschafft“ mehr

Wir arbeiten und arbeiten, und es kommt immer mehr. Denken Sie nur an die E-Mail-Flut. Gerade noch hat man das Postfach aufgearbeitet, ist der Zustand nach zwei Tagen wie vorher. Kennen Sie Zielvereinbarungen? Auch sie sind dadurch gekennzeichnet, dass das nĂ€chste Ziel, kaum ist das vorherige erfĂŒllt, schon wieder vor einem steht.

Neues Denken ist gefragt – der fĂŒnf Punkteplan

1. Egoismus 2.0

Es ist egoistisch nicht gut fĂŒr sich zu sorgen. Weil wir dann von Außen die Lieferung unseres Wohlbefindens erhoffen – von anderen Menschen oder eben der Arbeit.

2. Die wissenschaftliche Gesundheitsformel lautet 3:1

GlĂŒck und Gesundheit brauchen geistige Disziplin. Als gĂŒnstig gilt der Quotient von drei zu eins. Das heißt: auf jedes schlechte GefĂŒhl sollten mindestens drei gute kommen, auf einmal Überforderung, drei Mal sich Gutes tun.

3. Starten Sie AufwÀrtsspiralen

Teilen Sie gute Nachrichten mit vielen Menschen, beginnen Sie Teammeetings mit Erfolgsnachrichten, schreiben Sie Nettigkeiten in den Absender Ihrer E-Mails. Sehen Sie, was Sie leisten. Die Wahrnehmung von Positivem schĂŒtzt vor Überforderung.

4. SchĂŒtzen Sie Ihre Ressourcen

RĂŒcken oder Kiefer, Haut oder Augen – Sie wissen, wo Sie Überlastung am schnellsten merken. Sorgen Sie vor. Und wenn Ihr Unternehmen keine ergonomische Tastatur oder keinen guten BĂŒrostuhl stellt, dann kaufen Sie ihn doch selbst. Es ist Ihr Körper. Halten Sie sich fern von Spekulationen und negativen Gedanken. Sie kosten Kraft und Zeit.

5. Nach der Arbeit Abstand schaffen

Sorgen Sie dafĂŒr, dass Sie in einem guten Zustand nach Hause kommen. Jeder sollte nach der Arbeit zunĂ€chst einmal allein Stress abbaut. Zum Beispiel durch Sport oder zumindest einen kleinen Weg zu Fuß, denn der Körper baut das Stresshormon Cortisol durch Bewegung ab. FĂŒhren Sie Rituale zum Schaffen von Abstand ein. Nutzen Sie Musik und Entspannungs-CDs auf dem Heimweg oder schreiben Sie sich den Frust von der Seele.

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