5 Fragen an: Jacqueline Groher

Jacqueline Groher ist Expertin für Selbstführung und Potenzialentfaltung. Die Diplom-Betriebswirtin hat 15 Jahre lang in Industrie und Handel gearbeitet, davon acht Jahre als Geschäftsführerin. Seit 2003 entwickelt sie als Trainerin individuelle Leadership-Programme für nationale und internationale Unternehmen. Jacqueline Groher ist unter anderem ausgebildet als NLP-Master (Deutscher Verband für Neurolinguistisches Programmieren DVNLP), Performance Consultant und ASSESS® Mastertrainer. Zusatzausbildungen im Bereich Change Management, Transaktionsanalyse und Psychodrama runden ihre Kenntnisse ab. Aus der eigenen Mitte heraus führen heißt menschlich führen, so die Überzeugung der Unternehmerin, die selbst für die Themen Mut und Veränderung steht: Von der Einzelhandelskauffrau hat sie sich zur Führungskraft weiterentwickelt, von der Rennfahrerin zur Expertin für Selbstführung.

1. Eine Führungskraft muss sich vor allem selbst führen können. Was meinen Sie damit?

In dem mächtigen Wort FührungsKRAFT, das ich ganz bewusst im zweiten Teil in Großbuchstaben setze, stecken aus meiner Sicht drei große K’s: Neben Kraft sind dies Klarheit und Kompetenz.

Führen bedeutet nun einmal, ich verhalte mich so, dass die Mitarbeiter mir freiwillig folgen, und zwar möglichst mutig und selbstständig denkend. Von der Führungskraft setzt das soziale Kompetenz, Empathie oder die Fähigkeit zur Reflexion voraus, auch und vor allem über sich selbst und die eigene Führungsrolle.

Soweit die schöne Theorie. In der Praxis werden aber häufig noch die gefördert, die besonders durchsetzungsstark oder einfach schon lange dabei sind. Und wenn diese Verantwortungsträger, die ich ganz bewusst nicht Führungskraft nennen möchte, wider besseres Wissen oder fahrlässig agieren, kommen sie auch noch ungestraft davon. Für 80 Prozent der Unternehmen ist so ein Verhalten jedenfalls kein Anlass zur Trennung, wie eine Studie der Universität Osnabrück ermittelte. Was zählt ist allein das operative Ergebnis, so macht die Studie deutlich. Dies scheint mir keine gute Grundlage, um einmal innovative und riskantere Wege zu gehen, die in einer digitalisierten, sich immer schneller wandelnden Wirtschaft aber dringend notwendig wären.

Wie also kriegen wir die Lücke zwischen Theorie und Praxis geschlossen? Die Antwort ist Selbstführung, weil diese die Reflexion der persönlichen Werte, Wünsche und Muster voraussetzt. Dabei wende ich mich ganz bewusst nicht nur an Führungskräfte, sondern an alle Menschen, die Kommunikation und die Wirkungsmechanismen der Zusammenarbeit besser verstehen und beeinflussen wollen. Das geht bekanntermaßen nur bei sich selbst – die anderen kann ich nicht ändern.

2. Druck von allen Seiten: Welche Ausgleichsmöglichkeiten zum Alltagsstress sollten Führungskräfte nutzen?

Sport, Spaß und natürlich Selbstmanagement. Diese drei Instrumente nehmen Ihnen den Stress mit dem Stress. Ich denke nicht, dass ich die ersten beiden erklären muss. Aber ohne das Dritte kommen diese nicht an den Start, weil die Umsetzung der eigenen Ziele fehlt. Also sind wir wieder beim Thema. Selbstmanagement als Stressmanagement bedeutet, bewusst mit dem Thema umzugehen und es zu enttabuisieren. Stress heißt ja erst einmal nur, ich fühle mich unter Druck gesetzt und habe das Gefühl, etwas wächst mir über den Kopf. Ich muss also Fragen stellen, warum belastet mich diese oder jene Situation stärker als früher? Welche Tätigkeiten machen mir Freude, welche nicht? Sind meine Ziele realistisch? Wie gehe ich mit meiner Gesundheit und meinen Ressourcen um?

Am Anfang steht immer die Reflexion. Mit ihrer Hilfe erkennen Sie die Fallstricke der autonomen Arbeitswelt und lernen, dass nur der in einem Hochleistungsumfeld langfristig besteht, der seine Bedürfnisse und Ressourcen ausreichend kennt und berücksichtigt. So weit gedacht und verstanden, fällt die Umsetzung von Sport und Spaß nicht mehr schwer, weil Sie kapieren, dass diese Teil Ihres Erfolges sind. Sie bewegen sich beispielsweise nach der Arbeit regelmäßig, weil Sie Adrenalin abbauen wollen oder nehmen sich regelmäßig und bewusst eine Mittagspause, allein um dem krankmachenden Stress vorzubeugen.

3. Was sollte ich tun, wenn ich mich in meiner Führungsrolle dauerhaft überfordert fühle?

Mein Verständnis von Führung hinterfragen und auch mich selbst in Frage stellen. Wenn das Gefühl der Überforderung dauerhaft ist, sind Sie entweder im verkehrten Unternehmen oder an verkehrter Stelle. Und wenn Sie das erkannt haben, hilft nur noch konsequent handeln, sonst nichts. Übrigens: auch Fach- und Projektkarrieren bieten Aufstiegsperspektiven, die in letzter Zeit immer weiter ausgebaut wurden.

4. Welche Weiterbildungsmöglichkeiten empfehlen Sie Managern, um ihre Führungsrolle erfolgreich ausführen zu können?

Das kann man unmöglich pauschal beantworten, wichtig ist allerdings, dass man sich überhaupt dieser Frage mit System stellt. Mit System heißt, die Verantwortung für Weiterbildungsfragen nicht allein der Geschäftsführung oder Personalabteilung zu überlassen, sondern den eigenen Bedarf zu analysieren, mit den strategischen Zielen des Unternehmens abzugleichen, Feedback einzufordern und geeignete Bildungsformate festzulegen. Zweitens das zugegeben unübersichtliche Weiterbildungsangebot auf den Prüfstand zu stellen und passende Angebote nach festgelegten Kriterien auszuwählen. Schließlich darf drittens die Nachbereitung und das Controlling nicht fehlen: Was hat die Maßnahme genau gebracht?

Cover_FührungsKRAFT
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5. Charakter, Talent oder Lernfähigkeit: Was muss eine gute Führungskraft mitbringen?

Es schadet nicht, wenn von allem etwas dabei ist, wichtig ist in jedem Fall Charakter, denn eine Führungskraft hat immer eine Vorbildfunktion, sie muss als Mensch überzeugen. Und wer die Fähigkeiten und Kenntnisse der Mitarbeiter entwickeln, sie zur Selbstständigkeit und Übernahme von Verantwortung anregen will, sollte schon auch selbst lernfähig sein. Am allerwichtigsten aber scheint mir Willenskraft: Was nützen Charakter und Charisma, wenn die Person diese Fähigkeiten nicht in Ergebnisse umsetzen kann?

Letztlich kommt es natürlich auch darauf an, welche Funktionen die Führungskraft ausfüllt: Ein Manager aus dem Controlling benötigt mehr funktionale und analytische Funktionen als der im Vertrieb, der mehr soziale Kompetenzen braucht. Aber von der Führungskraft, von der wir reden, im übergeordneten Management, erwarten wir mehrere funktionsübergreifende Kompetenzen – das erklärt die Knappheit an diesen Leuten.

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