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5 Fragen an: Bernd Slaghuis

Dr. Bernd Slaghuis appelliert an die Selbstverantwortung jedes Einzelnen für sein Leben. Der Ökonom und Systemische Coach hat sich auf Fragen der Neuorientierung im Beruf spezialisiert, betreibt eine Coaching-Praxis in Köln und ist zudem als Strategieberater für Unternehmen sowie als Dozent und Redner tätig.

Sein Leitsatz: „Glück und Zufriedenheit sind die Basis für Gesundheit und Erfolg im Leben.“ Er ist überzeugt, dass jeder das Rüstzeug und die Möglichkeiten hat, das zu tun, was ihn glücklich macht.

1. Sie unterstützen Ihre Kunden beim „Downshifting“. Was verstehen Sie darunter?

Ich erlebe viele Menschen, häufig mit einer typischen Bilderbuch-Karriere, die mit ihrer beruflichen und auch privaten Situation unzufrieden sind und sich eine Veränderung wünschen. Diese Veränderung geht oft einher mit dem Wunsch, im Job runterzuschalten, auch freiwillig auf Einkommen zu verzichten, dafür aber mehr Zeit mit Dingen zu verbringen, die mehr Sinn stiften. Downshifting bedeutet nicht Faulenzen oder Langsamkeit, sondern den eigenen Entschluss, gezielt aus einem häufig als fremdbestimmt empfundenen Leben zu mehr Selbstbestimmung zu gelangen. Hier sind die unterschiedlichsten Möglichkeiten denkbar. Das Spektrum reicht von der Kündigung des aktuellen Jobs und dem Beginn mit etwas ganz Neuem bis hin zu einem bewussten Runterschalten und Kürzertreten im Beruf und der Entscheidung, andere Werte, die einem im Leben wichtig sind, stärker in den Vordergrund zu rücken. Beim Downshifting steht in meiner Wahrnehmung nicht ein Weniger an Arbeit, sondern die selbst getroffene Entscheidung im Fokus, selbstbestimmt, eigenverantwortlich und gelassener die eigenen Ziele zu verfolgen. Wer downshifted arbeitet danach nicht unbedingt weniger, aber glücklicher und zufriedener.

 

2. Woran erkennen Arbeitnehmer, dass Ihr Stresspegel zu hoch ist?

Stress ist ja zunächst nicht grundsätzlich etwas Schlechtes, sondern kann in bestimmten Situationen auch positive Aspekte haben. Wenn Menschen mit großer Leidenschaft einem Ziel nachgehen und sich ihren Aufgaben förmlich hingeben, empfinden sie auch eine große Menge an Arbeit oder auch knappe Zeit nicht als negativen Stress, sondern als Herausforderung. Negativer Stress im Beruf kann unterschiedliche Ursachen und Wirkungen haben. Manche Arbeitnehmer stresst es, in zu enge Strukturen oder Abläufe eingebunden zu sein, einige empfinden Stress, weil sie mit ihren Kollegen nicht auskommen, andere kann es auch stressen, zu wenig Aufgaben am Tag zugewiesen zu bekommen. Viele meiner Klienten im Coaching stresst es, Tätigkeiten nachzugehen, die nicht mehr ihren eigenen Werten entsprechen. Etwas in ihren Augen nicht sinnhaftes zu tun, ist eine sehr häufige Ursache für Frust am Arbeitsplatz. Auch die Reaktionen der Menschen auf Stress können sehr unterschiedlich sein, von Krankheiten, wie Herz-/Kreislaufbeschwerden bis hin zu psychischen Reaktionen, wie beispielsweise Depressionen oder Verhaltensstörungen. Unabhängig davon, was der Auslöser von Stress ist und wie die Reaktion des Körpers darauf ist, erkennen wir in der Regel für uns selbst, wenn wir unzufrieden und unglücklich sind. Ich meine hier nicht den stressigen Tag vor einer wichtigen Präsentation oder die Zeit vor dem nahenden Urlaub, vor dem noch alles erledigt werden muss, sondern dauerhafte Unzufriedenheit. Wenn jemand für sich erkennt, dass er in seinem beruflichen Umfeld nicht mehr glücklich wird, sollte er etwas in seinem Leben verändern.

 

3. Immer mehr Zeitschriften titeln: „Rettet den Feierabend!“. Ein Appell an jeden Arbeitnehmer oder sind die Arbeitgeber verantwortlich für das steigende Stresslevel?

Ich habe diese Artikel gelesen und die Diskussion mitverfolgt. Gestört hat mich daran, dass fast immer die „bösen“ Arbeitgeber Schuld an den Belastungen der Arbeitnehmer sind. Die Beiträge erfüllen genau die Sicht der jammernden Angestellten, die sich durch ihre Arbeitgeber wie eine Zitrone ausgepresst fühlen – Tag und Nacht, sieben Tage die Woche. Das ist nachvollziehbar, denn dies ist ja auch die Masse der Leser. Es ist sicherlich richtig, dass die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten deutlich an Geschwindigkeit zugenommen hat und für immer mehr Aufgaben weniger Zeit zur Verfügung steht. Das hat auch etwas mit Industrialisierung, technischem Fortschritt und gestiegenen Anforderungen im internationalen Wettbewerb zu tun. Aber, sind wir doch mal ehrlich: Was wäre anders, wenn Sie ihr geschäftliches Blackberry oder Smartphone abends um 20 Uhr aus- und morgens um 8 Uhr wieder einschalten würden? Was könnten Sie verpassen? Was hätte nicht auch Zeit, um am nächsten Morgen erledigt zu werden? Hat der 24-Stunden-7-Tage-die-Woche- Erreichbarkeits-Wahn nicht vielleicht auch etwas damit zu tun, sich unentbehrlich und unersetzbar fühlen zu wollen und sogar zur tiefsten Schlafenszeit auf der Suche nach Anerkennung noch die Welt retten zu wollen? Den Feierabend retten kann aus meiner Sicht nur jeder für sich selbst – egal ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. Beide Seiten sind selbst für ihr Handeln verantwortlich. Insofern ist es ein Appell an jeden, für sich zu entscheiden, was ihm in der Zeit außerhalb des Büros wichtig ist. Wer immer erreichbar sein möchte, weil es ihn vielleicht beruhigt, nichts zu verpassen, soll entsprechend handeln. Wem das Feierabend-Bier und Abschalten wichtig ist, sollte für sich passende Regeln und Strukturen schaffen, die dies ermöglichen.

 

4. Sehen Sie bestimmte Berufsgruppen als besonders gefährdet für starken Stress?

Nein, denn wie aus den vorigen Antworten schon sichtbar wird, bin ich der Überzeugung, dass jeder selbst für sein Leben und damit auch für seinen Stress verantwortlich ist. Das ist unabhängig von einem Beruf, einer Karriere-Stufe oder einer Branche. Ein Angestellter mit einem geregelten nine-to-five-Job im öffentlichen Dienst kann sich genauso gestresst fühlen wie ein Top-Manger. In der Außenwahrnehmung mag es sicherlich Berufe geben, die schnelle Reaktionszeiten oder auch körperliche Höchstleistungen erfordern. Denken Sie zum Beispiel an Piloten, Aktienhändler oder Fluglotsen. Auch Bauarbeiter auf 8-spurigen Autobahnen verdienen meinen höchsten Respekt für ihre Arbeit. Ob diese Menschen Stress gefährdet sind, liegt an ihnen. Wer sich für den Beruf des Aktienhändlers entscheidet, wird zu diesem Zeitpunkt wissen, was es bedeutet. Stress wird dies meist immer erst dann, wenn sich die eigenen Werte im Leben und Beruf verändern. Ein Pilot, dem ursprünglich vielleicht die Verantwortung für Menschen, die Technik oder das Reisen in ferne Länder wichtig war, der aber dann Vater wird und gerne regelmäßiger bei seiner Familie wäre, wird wahrscheinlich mit der Zeit in seinem Beruf unglücklich werden und seine Arbeit als Stress empfinden.

 

5. Halten Sie es für möglich, erfolgreich in der Führung eines Großunternehmens zu sein und gleichzeitig Zeit für Hobbies und Familie zu haben?

Ja. Warum nicht? Es geht hierbei nicht um die andauernde und auch sehr wichtige Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sicherlich haben Vorstände oder Geschäftsführer (m/w) nicht immer die Möglichkeit, regelmäßig bei ihrer Familie zu sein, wie es bei Angestellten in der Regel der Fall ist. Aber auch Manager können in einem gewissen Rahmen frei entscheiden – und hier haben sie infolge ihrer Position oft mehr Freiräume als Angestellte – wie sie ihre Zeit einteilen. Wer Zeit für Hobbies und Familie haben möchte, wird einen passenden Weg hierfür finden.

Problemlösung & Teamkonflikte in Unternehmen

Wie in jedem Bereich in dem Arbeitnehmer mit anderen Menschen in Kontakt stehen und kommunizieren kommt es zeitweise auch in der Arbeitswelt zu Konflikten und Auseinandersetzungen mit Arbeitskollegen, Kunden oder dem Vorgesetzten. Oft ist es schwer gerade geschäftliche Spannungen zu lösen, da auch im Nachhinein die Gefahr besteht, dass sich das vermeintlich Geklärte dennoch auf das Arbeitsverhältnis ausübt.

Grade bei Problemen mit dem Chef herrscht die Sorge seitens der Mitarbeiter, dass eine offene Ansprache negative Konsequenzen für die Beschäftigung haben könnte und dies führt nicht selten dazu, dass eine Aussprache nicht gesucht wird. Auch um die Arbeitsatmosphäre im Büro nicht zu belasten wird häufig von einer Konfrontation mit dem Kollegen oder der anderen Abteilung abgesehen.

Tatsache ist jedoch, dass ungeklärte Kontroversen den Ablauf in einem Unternehmen stören, das Arbeitsklima belasten und somit auf Dauer weder für die Mitarbeiter noch für das Geschäft tragbar sind.

Daher ist eine Klärung der Probleme egal zwischen welchen Parteien notwendig. Das Problem was sich häufig hier stellt ist, dass es sehr schwierig ist sachlich und angemessen in solchen Gesprächen zu agieren, da Emotionen und Aufregung mit im Spiel sind. Um dennoch schnell den Konflikt beilegen zu können ist es in manchen Situationen ratsam einen Mediator einzuschalten. Dieser steht als Vermittler zwischen den Parteien und bringt die notwendige Objektivität mit.

Ein nicht unerheblicher Grund für Auseinandersetzungen mit Kollegen oder dem Chef ist die Arbeitsweise. Vorwürfe die Arbeit sei zu langsam, ineffizient oder es gäbe keine Absprachen und so weiter können schnell zu schlechter Stimmung führen. Kritik in dieser Hinsicht ist oftmals schwer umzusetzen, da die eigene Sicht auf die Dinge sich doch meist von der der anderen unterscheidet. In solchen Fällen kann eine Supervision gemacht werden.
Solch eine Beratung hilft bei der Betrachtung der eigenen Praktik und Organisation und der Verbesserung und Entwicklung der Qualität der Arbeit. So können Konflikte vermieden werden und nebenbei auch der eigene Arbeitsablauf optimiert werden.

Spannungen im Beruf müssen nicht sein und erschweren unnötig den Berufsalltag. Mediation ist also eine gute Alternative zur Klärung von Konflikten und  Ausarbeitung von gemeinschaftlichen Lösungen.

5 Fragen an: Sascha Schmidt

Sascha Schmidt ist ganzheitlicher Karriereberater und -coach. Den Schlüssel zur Vereinbarkeit von Karriere und Familie sieht er in dem Willen der Mütter und Väter, die es tun. Größtes Hindernis ist für ihn die fehlende familienfreundliche Führungskultur in Unternehmen.

Im Coaching stärkt und überprüft er den Willen der Eltern; als Personalberater unterstützt er Unternehmen auf den Weg zu mehr Familienfreundlichkeit im Führungsalltag.

 1. Warum wird die Herausforderung Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen immer größer?

Es gibt immer mehr Frauen und Männer, die dem klassischen Rollenverständnis nicht mehr entsprechen: Er macht als Ernährer Karriere und sie kümmert sich um Haushalt und Kinder. Mütter wollen nicht ihre berufliche Laufbahn opfern und Väter wollen nicht mehr abwesend sein. Auf der einen Seite fangen Arbeitgeber und Kommunen an, berufstätige Eltern zu unterstützen. Auf der anderen Seite ist in den Köpfen der Führungskräfte häufig kein Verständnis zu finden, wenn der Projektleiter in die Elternzeit geht. Sich als Arbeitgeber als „familienfreundlich“ zertifizieren zu lassen reicht nicht aus. Damit das kein Etikettenschwindel ist, sollte die Unternehmens- und Führungskultur entsprechend ausgerichtet sein. Da sind wir in sehr vielen Unternehmen noch meilenweit entfernt von. Hier liegt die große Herausforderung der Vereinbarkeit von Karriere und Familie!

2. Karriere und Kinder – Können Frauen dieser Anforderung langfristig gerecht werden?

Die Frage gilt genauso für Männer. Ich habe es selber erlebt und praktiziert: Double income – two kids geht! Und zwar auch wenn beide Elternteile Vollzeit als Führungskräfte arbeiten. Grundvoraussetzung ist, dass beide es wirklich wollen. Dann schaffen Sie es, sich in der Partnerschaft entsprechend zu unterstützen. Wer jedoch zum  Beispiel alleinerziehend ist, für den wird es schwierig werden, den Spagat zwischen Karriere und Kinder zu meistern.

3. In Zeiten von zunehmenden Burn-Out-Erkrankungen wird der Begriff Work-Live-Balance immer häufiger genutzt – Was genau verbirgt sich dahinter?

Ich mag den Begriff Work-Life-Balance nicht. Er nimmt eine künstliche Trennung von Arbeit und Freizeit vor. Ich spreche in meiner Karriereberatung von Life-Balance. Befinde ich mich mit meinem Tun – egal ob im Meeting oder auf dem Fußballplatz – im Einklang mit mir. Konkret: Macht mir Spaß, was ich gerade tue? Unser Arbeitsleben ist zentraler Bestandteil unseres täglichen Tuns. Wer in der Arbeit aus der Balance fällt, der möge prüfen, ob er den richtigen Job oder Arbeitgeber hat. Meine Faustformel hierfür lautet: Ein Tag pro Woche ohne Spaß im Job ist ok. Bei zwei Tagen sollten Sie an Veränderungen denken. Wie geht es Ihnen?

4. Wie bringen Arbeitnehmer ihre beruflichen und privaten Interessen in Einklang?

Ganz einfach, in dem Sie Entscheidungsträger in eigener Sache werden. Sie glauben gar nicht, welchen Unterschied es macht, zu sagen „Ich muss das tun“ oder „Ich will das tun“. Meine Coaching-Gesprächspartner lernen es, vom „Müssen“ ins „Wollen“ zu kommen. Dann sage ich nämlich nicht: „Heute muss das Fußballtraining meines Sohnes ausfallen, da ich die Präsentation fertig machen muss“ sonder „Ich will die Präsentation fertig machen; das ist wichtig für mich und meine Karriere und daher werde ich nicht zum Training gehen.“ Klingt für manche hart, zugleich sind Sie sich so bewusst, dass Sie die Verantwortung für ihr Handeln haben. Kinder lieben übrigens Eltern, die tatkräftig sind und sich nicht als Opfer von Umständen darstellen. Werden Sie also Führungskraft in Ihrem Leben, dann bekommen Sie private und berufliche Interessen in den Einklang – jeder für sich individuell.

5. Besonders nach der Elternzeit ist es für viele Arbeitnehmer schwierig, den Wiedereinstieg zu meistern – Worauf sollten Eltern hier bei der Jobsuche achten?

Die Wahl des richtigen Arbeitgebers ist entscheidend, ob der Wieder- oder Neueinstieg gelingt. Unterstützt eine Firma und der direkte Vorgesetzte das Comeback nach der Elternzeit oder merken Sie gleich, dass Sie zum Beispiel als Teilzeit-Führungskraft unerwünscht sind? Wenn hier nicht die Chemie stimmt, dann wird der Wiedereinstieg schwer. Zusätzlich gilt es darauf zu achten, wie familienfreundlich das Unternehmen in seinem Personalmanagement aufgestellt ist. Gibt es die Möglichkeit von flexiblen Arbeitszeiten, Home Office  und sonstiger Unterstützung?

5 Fragen an: Kirsten Brennemann

Kirsten Brennemann lebt und arbeitet seit 1995 in der Nähe von Zürich und war viele Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei einer Schweizer Großbank tätig. 2009 hat sie sich als Business Coach und Karriereberaterin selbständig gemacht. Fundament für ihre Tätigkeit sind einerseits ihre beruflichen und persönlichen Erfahrungen und andererseits diverse Coaching Aus- und Weiterbildungen.
Sie unterstützt hauptsächlich Menschen, denen es um persönliche Weiterentwicklung, Burnout-Prävention und Stressmanagement oder um berufliche Neuorientierung geht, insbesondere nach einem Burnout.

 

1. Was sind Ursachen dafür, dass sich immer mehr Arbeitnehmer durch Ihren Beruf gestresst fühlen?

Aus meiner Sicht ist der Druck in der Arbeitswelt in den letzten Jahren deutlich gestiegen: Es wird heutzutage sehr hohe Effizienz und Produktivität gefordert, die Informationsflut durch E-Mail und andere neue Medien überfordert viele Arbeitnehmer und gleichzeitig ist die Arbeitsplatzsicherheit in vielen Berufsgruppen gesunken.

 2. Was sind typische Folgen von Stress?

Das lässt sich am besten erklären, indem wir einen Blick zurück auf unsere Entwicklungsgeschichte werfen: Früher waren wir sehr häufig mit lebensbedrohlichen Situationen konfrontiert. Wurden wir beispielsweise von einem Bär verfolgt, so war unser Körper sofort durch Stresshormone zu Höchstleistungen bereit: u.a. wurde das Denken reduziert (damit wir nicht lange überlegten, ob wir fliehen sollten), das Blut verdickte sich (für den Verletzungsfall), der Puls ging hoch, die Muskeln wurden angespannt, kurz: wir waren bereit zu kämpfen und zu fliehen. Ein Mechanismus, der für uns überlebenswichtig war.
Auch heute ist dieser Mechanismus für uns noch wichtig, wenn wir in lebensbedrohliche Situationen geraten, sei es durch einen Gefahrenmoment im Straßenverkehr, eine Bedrohung durch einen Angreifer etc. Wir können blitzschnell reagieren.
Damals wie heute normalisieren sich nach so einem Stress-Ereignis alle Körperfunktionen wieder: Der Hormonhaushalt, der die Stressreaktionen steuert, kommt durch die körperliche Aktivität in Form von Flucht oder Kampf und durch eine nachfolgende Ruhephase wieder in seine normale Balance.

 3. Wann wird Stress gefährlich – physisch und psychisch?

Wie schon zuvor erwähnt, ist Stress an sich völlig normal und ungefährlich. Heute kommen wir zwar nur noch selten in lebensbedrohliche Situationen, aber das Problem ist, dass Druck und Stress im Beruf immer noch dieselben Reaktionen im Körper auslösen können, wie der Bär vor hunderten von Jahren. Wie sehr wir Stress empfinden ist dabei sehr individuell.
Anders als damals fehlen uns aber heute oftmals angemessene Ruhe- und Erholungsphasen sowie körperliche Aktivitäten. Unser Körper gerät dadurch in Dauerstress, eine Belastung, die in dieser Form von der Natur nicht vorgesehen ist. Dies kann auch durch ständige Angst wie z.B. die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zusätzlich geschürt werden.
Die gefährlichen Folgen von langanhaltenden Stressphasen: der Hormonhaushalt kann nachhaltig aus der Balance geraten und dies kann zu physischen und/oder psychischen Störungen führen. Beispiele: Gedächtnis- und Schlafprobleme, psychosomatische Störungen wie Rückenprobleme (auch Bandscheibenvorfall), erhöhte Infektionsanfälligkeit, Aggressivität und depressive Verstimmung. Im fortgeschrittenen Stadium neigen sehr gestresste Menschen außerdem dazu (noch) mehr zu arbeiten, da sie versuchen ihre nachlassende Produktivität zu kompensieren. Und dann beginnt ein Teufelskreislauf.

4. Ich fühle mich überfordert, gestresst und denke den aktuellen Anforderungen meines Berufes nicht mehr lange standhalten zu können – Wie spreche ich ein solches Problem meinem Vorgesetzen gegenüber am besten an?

Solange Sie nur erste Anzeichen spüren, macht es Sinn, dass Sie Ihre Arbeitslast mit dem Vorgesetzten anschauen: Fragen Sie, welche Tätigkeiten Sie priorisieren sollen, was verschoben werden kann suchen Sie nach Möglichkeiten Arbeiten zu delegieren. Klären Sie genau ab, was Ihr Vorgesetzter von Ihnen tatsächlich erwartet. Gerade Burnout-gefährdete Personen neigen oftmals dazu, mehr zu liefern, als tatsächlich von Ihnen erwartet wird.
Sind Sie schon im fortgeschrittenen Stadium so empfehle ich zunächst ein Beratungsgespräch mit einer Fachperson (Hausarzt, Psychologe, Coach) über das individuelle Vorgehen, auch was das Gespräch mit dem Chef angeht. Sollte die Beratung unbefriedigend sein, ist eine Zweitmeinung sinnvoll.
Nur wenn wirklich ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zum Vorgesetzten besteht, würde ich ihn in dieser Phase direkt und offen ansprechen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Ihnen die Stärke, dass Sie Ihre Grenzen kennen und anerkennen, schnell mal als Versagen oder Schwäche ausgelegt wird und Sie sich damit ins berufliche Abseits bringen.

 5. Was kann man im Alltag tun um Stress zu reduzieren?

 Es ist wichtig, den Stresspegel im Körper durch Ruhephasen, Auszeiten und durch Bewegung zu reduzieren. Am besten eignet sich dafür natürlich die Freizeit. Aber man kann beispielsweise auch Pausen für einen Spaziergang ums Bürogebäude nutzen. Kontraproduktiv ist es hingegen, die Mittagspause ganz ausfallen zu lassen. Darüber hinaus sollte man versuchen Druck und äußere Stressauslöser  zu reduzieren: z.B.  lernen „Nein“ zu sagen, Aufgaben delegieren und die tatsächliche Erwartung des Chefs klären.
Um den hausgemachten Stress zu reduzieren, hilft es, den eigenen Perfektionismus und die eigenen „Glaubensätze“ die uns zu Höchstleistungen antreiben, zu hinterfragen. Typische Beispiele für solche Glaubenssätze: “Ich muss alles alleine schaffen“, „Ich werde nur anerkannt, wenn ich hart arbeite“ oder „Ohne Fleiß kein Preis“. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber es lohnt sich, der Gesundheit zuliebe daran zu arbeiten, denn die langfristigen gesundheitlichen Schäden durch Dauerstress können immens sein.

5 Fragen an: Ivan Blatter

Ivan Blatter ist Produktivitätstrainer und hilft seinen Kunden, ihre Ziele schneller zu erreichen. Dazu bietet er Seminare und verschiedene Online-Produkte an.
Seit ein paar Jahren betreibt er einen Blog rund um das Thema Zeitmanagement, in dem er regelmässig Tipps und Hinweise gibt, wie Sie produktiver arbeiten können.

 

1. Wie wichtig sind to-do-Listen für den Arbeitsalltag?

Grundsätzlich helfen To-do-Listen, den Überblick zu wahren und nichts zu vergessen. Das ist die positive, wichtige Seite. Aber sie haben auch einen Nachteil: Sie werden nie kürzer. Das kann sehr demotivierend sein und schnurstracks zu Aufschieberitis führen.
Eine moderne To-do-liste muss deshalb neue Funktionen erfüllen können. Primär muss sie garantieren, nichts Wichtiges zu vergessen. Vollständigkeit kommt in dieser Formel nicht vor.
Der Kunde, der ein Angebot will, wird innerhalb der nächsten 1-2 Tage bedient. Statt diese Aufgabe auf eine unendliche Liste zu nehmen und dann doch zu übersehen, fange ich lieber jetzt damit an.
Nur diejenigen Dinge, die ich tendenziell vergesse, die ich in den nächsten Tagen nicht erledigen kann oder die einen Termin haben, schreibe ich auf die Aufgabenliste.

2. Besonders zum Jahreswechsel sind viele Arbeitnehmer im Stress – Wie schaffe ich es in dieser Zeit Wichtiges von Unwichtigem zu trennen?

Wie zu jeder anderen Zeit auch: Antizyklisches Verhalten. Je größer der Stress, desto wichtiger ist es, sich zuerst zurückzulehnen, durchzuatmen und in aller Ruhe (!) zu überlegen, was wirklich wichtig ist, was dringend ist und was warten kann.
Sobald man das hat, kommt eine der Kardinaltugenden im Zeitmanagement zum Zuge: „Nein“ sagen. Das geht tatsächlich – auch gegenüber dem Chef oder dem Kunden. Allerdings nicht ständig und mit Fingerspitzengefühl. Doch solange jemand  nicht „nein“ sagen kann, ist ein erfolgreiches Zeitmanagement fast unmöglich.

3. Chaot oder Ordnungsfetischist, Deadline-Ausreizer oder Überpünktlicher – Wer arbeitet am effektivsten?

Alle vier. Ich bin sehr davon überzeugt, dass es nicht die eine richtige Lösung für alle gibt. So wird es der Chaot niemals schaffen, zu einem sehr ordentlichen Menschen zu werden. Trotzdem kann er effektiv arbeiten. Nur: Das Risiko, dass der Chaot etwas vergisst oder übersieht, ist größer als beim Ordnungsfetischisten.
Genauso beim Deadline-Ausreizer: Auch der kann effektiv arbeiten. Vielleicht nicht stressfrei, aber effektiv. Doch auch hier ist die Gefahr groß, dass plötzlich etwas Unvorhergesehenes dazwischen kommt und die Deadline nicht ausgereizt wird, sondern überzogen. Diese Gefahr kennt der Überpünktliche nicht.
Was heißt das nun? Alle vier können effektiv arbeiten. Der Chaot und der Deadline-Ausreizer werden vermutlich mehr im Stress sein und tragen ein größeres Risiko, dass es nicht klappt.

4. Was können Arbeitnehmer tun, wenn ihr Chef jegliches Zeitmanagement durch verworfene Deadlines und plötzliche Aufgabenblitze zerstört?

Das ist ein schwieriges Problem, eigentlich ein Führungsproblem. Gute Chefs sorgen ja dafür, dass ihre Mitarbeiter gut und effizient arbeiten können.
Man kann das höchstens durch gute Organisation auffangen: Tragen Sie beispielsweise immer etwas zu schreiben bei sich, damit Sie bei Einfällen des Chefs und Spontan-Sitzungen auf dem Flur gewappnet sind.
Trotzdem ist das nur ein Trostpflaster. Die einzige richtige Antwort mag nicht befriedigen und ist auch nicht ganz einfach, aber hier kommt man um ein Gespräch mit dem Chef nicht herum. Einiges mag man durch gute Organisation auffangen, doch wirklich helfen tut nur ein Gespräch.

5. Wenn doch alles wichtig und dringend ist – Wie lautet Ihr Geheimrezept gegen Stress?

Auch hier wieder: Antizyklisches Verhalten. Je mehr Stress, desto wichtiger sind Pausen, Erholung und ruhiges Arbeiten.
Natürlich helfen die üblichen Verdächtigen: Gesunde Ernährung, genug Schlaf, Bewegung/Sport als Ausgleich. Doch genauso wichtig ist die eigene Haltung. Wer meint, bei großem Stress könne er Pausen weglassen, um Zeit zu sparen, steuert in eine Sackgasse und in die Erschöpfung. Gerade dann ist es wichtig, sich auch tagsüber zu erholen, damit die Energie bis abends reicht. Genauso bei Hektik: Niemand bestimmt, dass ich da mitmachen muss. Im Gegenteil: Ein ruhender Pol, der auch mal sagt „Wie ist das jetzt ganz genau?“ wird sehr geschätzt.