5 Fragen an: Markus VĂ€th
Dipl. Psych. Markus VĂ€th ist Inhaber der Beratungsfirma Mensch & Chance. Er arbeitet unter anderem als Business Coach und Karriereberater, ist Autor zweier BĂŒcher zur Arbeitswelt und betreibt ein psychologisches Fachblog. Auch bei Facebook und XINGÂ kann man sich mit ihm vernetzen.
1. Berufs- und Auslandserfahrung, Sprachkenntnisse, soziale Kompetenz, ehrenamtliches Engagement und ein Studium in Regelstudienzeit mit Top-Abschlussnoten: Diese Fertigkeiten sollten Absolventen laut vieler Stellenanzeigen noch vor dem eigentlichen Start ins Berufsleben mitbringen. FĂ€ngt die Ăberforderung damit heute schon vor dem eigentlichen Berufseinstieg an?
Im Grunde, ja. Vor allem, weil Absolventen sich diese Ăberforderungen selbst schaffen. In den allermeisten FĂ€llen ist die âeierlegende Wollmilchsauâ, welche die Unternehmen angeblich haben wollen, ein Mythos, eine Mode. Gestern hieĂ es noch: den Lebenslauf bitte schön stromlinienförmig und vollgepackt; heute beginnen bereits die Diskussionen, man hĂ€tte bei Bewerben gern sichtbare Ecken und Kanten. Wer sich als Absolvent nach solchen Moden richtet, kann nur verlieren. Ăbrigens: Die Arbeitslosenquote bei Akademikern liegt seit Jahren konstant bei circa drei Prozent. Das ist praktisch VollbeschĂ€ftigung. Zur Panik besteht also kein Anlass.
2. Wie schaffen es Absolventen und auch Arbeitnehmer solchen hohen AnsprĂŒchen gelassener entgegenzusehen?
Erstens, in dem sie diese AnsprĂŒche als Mythen enttarnen. Viele Unternehmen wollen nicht mehr den besten Bewerber, sondern den passenden. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Zweitens, indem sie zu sich selbst stehen, zu ihrer Biographie, ihren StĂ€rken und SchwĂ€chen. Drittens – und das gilt vor allem fĂŒr Absolventen – indem sie lernen, ihre individuelle QualitĂ€t dem Arbeitgeber entsprechend ârĂŒberzubringenâ. Damit meine ich nicht, sich âzu verkaufenâ. Sondern fĂŒr den Arbeitgeber relevante Informationen ĂŒber sich vermitteln können: im Lebenslauf, im Anschreiben und im EinstellungsgesprĂ€ch.
3. Worauf sollten Arbeitgeber achten, um sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter tĂ€glich angemessen gefordert aber nicht ĂŒberfordert werden?
DarĂŒber kann man ganze BĂŒcher schreiben; ich will hier nur zwei Aspekte herausgreifen.
Erstens sollten Chefs von Prozess- auf Ergebniskontrolle umschalten. Wenn ich neu im Job bin, brauche ich vielleicht noch Anleitung durch die Schritte einer Aufgabe. Irgendwann soll und will ich als Mitarbeiter aber von alleine laufen. Viele Chefs vollziehen diesen Schritt des Loslassens nicht oder nur halbherzig, weil sie Angst haben, die Kontrolle zu verlieren. Eine stÀndige GÀngelung durch den Chef killt aber die Motivation.
Zweitens sollten sich alle Mitarbeiter und Chef bei jeder Aufgabe nicht nur die Frage stellen: Was sollten wir tun? Sondern auch: Warum sollten wir es tun? Viele AblĂ€ufe in Unternehmen können schlicht sinnlos sein, veraltet, starr oder reiner Aktionismus. Sobald man Prozesse und Aufgaben mit der âWarumâ-Frage gefiltert hat, bleiben in der Regel weniger, aber sinnvolle und damit motivierende Aufgaben ĂŒbrig. Unter UmstĂ€nden muss man dafĂŒr natĂŒrlich einige âheilige KĂŒheâ schlachten.
4. Ich bin mit meinem Job ĂŒberfordert. An welchen Stellen sollte ich zunĂ€chst selbst nach Möglichkeiten zur Stressreduzierung und Zeitersparnis suchen, bevor ich das GesprĂ€ch mit dem Vorgesetzten suche?
Vergessen Sie klassisches Zeitmanagement; es funktioniert einfach nicht. Zeit lĂ€sst sich nicht managen; es kommt Ihnen immer etwas dazwischen. VerĂ€ndern Sie vielmehr Ihre Perspektive: nicht mehr die Zeit in den Blick nehmen, sondern die Störungen. Sie brauchen Methoden und Entscheidungshilfen, aber auch eine innere StĂ€rke, die Ihnen innerhalb von Sekunden unter die Arme greift: Nehme ich den Hörer ab? Gehe ich in dieses Meeting? Muss ich diese Mail lesen? In der Regel erleben wir im Beruf immer die gleichen Klassen von Störungen und Ablenkungen. Daher kann man das mit der Zeit gut automatisieren und hat so den Kopf frei fĂŒr andere Dinge.
5. Wenn nichts mehr geht: Welche Beratungsstellen empfehlen Sie ĂŒberforderten Arbeitnehmern?
Der erste Anlaufpunkt ist normalerweise der Betriebsarzt. Der holt einen erst einmal aus der Schusslinie. Aber auch die örtlichen GesundheitsĂ€mter haben Listen mit Therapeuten, an die man sich wenden kann. Und wenn man tatsĂ€chlich einen schweren Burnout oder eine Depression hat, sollte man sich gut ĂŒberlegen, ob man nicht stationĂ€r in eine Klinik gehen will.
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